Schlagwörter

,

Mein erster Alleinurlaub (Rhodos, in einem Hotel mit vielen Sternen und wenig Kindern) startet mit einer durchwachten Nacht.

Tunnelblick

Samstagnacht, 19. Oktober, 1 Uhr (zu Hause) Im Fernsehen läuft ein romantisch-tragischer Film aus Frankreich. In der Sportsbar gegenüber meiner Wohnung ist Party. Normalerweise wäre ich um diese Zeit sicher schon vor dem Fernseher eingeschlafen, aber heute ist das anders. In ein paar Stunden fliege ich nach Rhodos, und ich habe „vorgeschlafen“ – im Kino … schon recht peinlich, aber nicht zu ändern. Offenbar bin ich kaputter als ich mir einzugestehen bereit bin. Morgen beginnt also der dringend nötige Urlaub. Der Koffer ist gepackt: 19,9 Kilo, sicher viel zu viel für die paar Tage, aber dafür bin ich auch für alle Eventualitäten gerüstet, bis hin zum Einschneien; die gesamte Kabelage für die notwendige Technik ist gecheckt und verstaut. Ich werde auf dem Flug noch ein bisschen im Reiseführer lesen, um mich einzustimmen – auf meinen ersten echten „Allein-Urlaub“ – einen Urlaub ohne Kompromisse, aber auch ohne meine Eindrücke mit jemandem teilen zu können. Deshalb habe ich auch den Fotoapparat dabei. Ich fotografiere sonst nur selten, weil ich immer denke, was ich mir nicht merken kann, ist auch nicht so wichtig. Seit dem letzten Winter bin ich sehr oft allein unterwegs gewesen. Und wenn mir etwas besonders gut gefallen hat, oder einfach nur lustig oder skurril war, habe ich Fotos gemacht. Angeschaut habe ich sie nie wieder, aber das ist vielleicht auch nicht so wichtig. Wahrscheinlich musste ich es einfach nur „loswerden“.

Jetzt springe ich mal unter die Dusche und mache mich dann allmählich auf den Weg hierhin http://www.atriumplatinum.gr/de

Sonntagmorgen, 19. Oktober, 4 Uhr (am Flughafen) Das bestellte Taxi kam pünktlich. Der Taxifahrer hat mir erzählt, dass er es hasst, nachts zu arbeiten und dass er keine Sportwagen mag (wie kann so was sein?). Wo Rhodos liegt, wusste er auch nicht – der Mann ist offenbar kein Grieche. Die Stadt war noch voll mit Partygängern und Clubbern, die Straßen waren aber so leer, dass wir innerhalb von 15 Minuten am Flughafen waren. So früh ist hier kaum etwas los. Das bedeutet Würmchen statt langer Schlangen an der Gepäckabgabe und viele geschlossene Restaurants. Eine Kaffeequelle habe ich aber dennoch ausgemacht. Auf dem Weg dorthin stand ein weißer Bechstein-Flügel, an dem sich jeder vergreifen darf, der sich dazu berufen fühlt. Ein kleines Mädchen mit einem Piratenkopftuch saß dran und spielte (zumindest mal für meine Laienohren) fehlerfrei irgendwas Klassisches – klang irgendwie fremd in dieser technischen Umgebung, aber schön.

Auch die Schlange am Sicherheitscheck war gar keine, aber natürlich habe ich das Gepiepe im Tor zur Urlaubsglückseligkeit ausgelöst (wie eigentlich immer), so dass mir mal wieder das zweifelhafte Vergnügen zuteilwurde, von einer kleiner energischen Frau intensiv abgetastet zu werden … muss ein Traumjob für Lesben sein.

Jetzt sitze ich in einer geschlossenen Bar mit Blick auf die Flieger-Dockingstations (ganz schön neblig da draußen), harre bewaffnet mit einem Cappuccino der Öffnung des Gates und vertreibe mir gleich mal die Zeit mit drei kurzen Texten, die ich noch lesen/glätten und am Montag zum Kunden schicken muss. In der Sitzgruppe neben mir haben sich zwei Männer und eine Frau in Jeans und roten T-Shirts platziert. In Anbetracht dessen, dass sie zehn 0,5-Liter-Dosen Bier vor sich stehen haben, formulieren sie noch recht klar und deutlich. Es geht nach „Malle“ (haben sie genauso gesagt), und der Plan ist, nach der Ankunft ein „kleines flüssiges Frühstück“ einzunehmen und sich dann an den Strand zum Schlafen zu legen, abends soll es dann ins „Deutsche Eck“ gehen, was immer das auch sein mag …. Die sind wirklich lustig – erfüllen jedes Klischee.

So, jetzt die Texte lesen….

Sonntagmorgen, 19. Oktober, 7 Uhr (im Flieger): Habe ein Stündchen geschlafen. Der Kinosessel gestern Abend war bequemer, bin aber trotz Nackensteife jetzt erstmal wieder topfit. Und ich hatte Glück: Der Flieger ist fast voll besetzt, aber der Platz neben mir ist freigeblieben. Die Sonne geht gerade auf, unter uns viele Berge, kaum Wolken – sieht schön und wild aus da unten.

Sonntagmittag, 19. Oktober, 12 Uhr Ortszeit (im Hotel) Bin unversehrt gelandet und wurde vereinbarungsgemäß persönlich abgeholt und gut ins Hotel verbracht. Der Versuchung, ein Foto von dem kleinen molligen Chauffeur zu machen, der vor dem Ausgang mit einem Schild stand, auf dem mein Name geschrieben war, habe ich gerade so widerstehen können – hatte aber was. Das Zimmer konnte ich gleich beziehen. Es ist groß, durchgestylt und mit einer Whirlpool-Wanne, einem großen Balkon ausgestattet, der einen frontalen Blick auf das tiefstblaue Meer freigibt. WIFI funktioniert, und es gibt einen für meine Verhältnisse üppigen TV, auch mit ein paar deutschen und englischen Sendern. Das Hotel begrüßt mich mit einem Obstkorb und einer Flasche Rotwein auf dem Zimmer, die ich heute Abend in dem Monsterbett (Kingsize) antesten werde.

ganz schön groß

Wir haben 25° und es ist windig. Im Schatten braucht man ein Jäckchen, aber am Pool liegen alle ziemlich ausgezogen herum – was nicht immer gut aussieht. Offenbar ist das Essen lecker und einige Leute etwas maßlos. Das Hotel scheint nicht ausgebucht zu sein. Höchstens ein Drittel der Liegen ist belegt, und auf den leeren Exemplaren sind auch keine schwarz-rot-goldenen Handtücher auszumachen.

Room with a (sea)view

Jetzt kann Urlaub werden. Ich mache mich jetzt auf den Weg an den Strand – Meer anfassen, und mal sehen ob da unten irgendwer für mich einen Fisch brät. Im Flieger gab es nur eine Käsestulle …

Sonntag, 19. Oktober, abends Aus dem „Meer anfassen“ ist ein zweistündiger strammer Spaziergang geworden – hatte einen ausgeprägten Bewegungsdrang nach der Probe gestern und der Flugzeug-Sitzerei heute. Irgendwann hat sich auch der Wind gelegt. Ich bin in den nächsten Ort gen Norden gelaufen, der aber nichts Spannendes zu bieten hat. Erst danach habe ich mal ein kleines Restaurant in der Nähe des Hotels ausprobiert. Es ziemlich touristisch, weshalb ich auch auf den Fisch verzichtet und mich mit Blick auf das zu erwartende opulenten Abendessen mit einem griechischen Salat begnügt habe. Später habe ich mich dann unter die Walfische am Pool gemischt …

hilft, diszipliniert zu bleiben

… und zwei Stündchen abwechselnd gelesen und geschlafen – eine wundervoll entspannende Tätigkeit, die ich im Zimmer fortgesetzt habe als es kühl wurde. Im Hotelshop habe ich für kleines Geld einen Bikini in Größe 36 gekauft, weil meine hochgeschlossenen Sportschwimmanzüge doch wenig zielführend sind – hey, der erste Bikini seit mindestens 15 Jahren. Ein gutes Gefühl. Ich hoffe nur, dass der am Ende des Urlaubs noch passt.

Das Abendessen war nämlich unglaublich gut  und wird viel Disziplin erfordern: Buffet mit allem was das Nahrungsmittelliebhaberherz begehrt plus ein frisch zubereitetes Hauptgericht (Fleisch, Fisch oder Veggie), dazu eine Glas ganz ordentlichen Weines und viel Wasser. Das Restaurant selbst ist ein bisschen unpersönlich, hat eher Speisesaal-Charme, aber man wohnt ja nicht da. Geredet habe ich heute, mal abgesehen vom Personal, mit niemandem, aber das macht nix – ich rede ja sonst immer ziemlich viel. Hier gibt es nur Paare, aber das macht auch nix. Bin vor allem mal hier, um mich zu erholen und wieder ein richtiger Mensch zu werden.

Und genau deshalb verziehe ich mich jetzt rechtschaffen müde in das große Bett, zappe noch mal durch die für mich verständlichen TV-Programme und werde wohl sehr bald die Guggerchen zumachen.

Morgen werde ich das Frühstücksbuffet testen und dann die alten Steine in Rhodos Stadt erobern.

Montag, 20. Oktober, 10 Uhr 30 Bin gestern wie erwartet ziemlich ohnmächtig in den Schlaf gefallen und heute Morgen auch erst um Acht aufgewacht, mit einer Erkältung im Anzug und ganz kleinen Augen im Gesicht (tippe auf Wasser im Körper). Das Frühstücksangebot ist ebenso opulent wie das Abendbuffet. So etwas habe ich zuletzt im Westin Grand in Berlin erlebt, wo wir immer gewohnt haben, wenn wir in der Hauptstadt waren. Ja, bis vor einem ¾ Jahr war ich noch ein „wir“. Auch darüber, wie mir das selbstgewählte „ich“ gefällt, will ich in diesem Urlaub nachdenken und mal in mich hineinhören, ob ich überhaupt schon wieder bereit wäre für ein neues „wir“, aber nicht schon heute und schon gar nicht vor dem Frühstück, versteht sich. Das lässt in seiner Fülle auch gar keine tiefgehenden Gedanken zu: Geboten wird hier beispielsweise ein Räucherfischbuffet über Full English Breakfast, allem, was Griechenland an Kulinarischem zu bieten hat (wusste gar nicht wie viele verschiedene Sorten Oliven es gibt), Kuchen, und diversen Eierspeisen bis hin zu Sushi. Zum Glück habe ich aber auch eine Ecke mit viel frischem Obst und 2%igem Joghurt ausgemacht, so dass es bei Rührei+Lachs und Obst+Joghurt geblieben ist. Wer will denn schon am frühen Morgen zu Abend essen …

Heute kein Wind. Jetzt checke ich mal, ob ich irgendwas arbeiten muss, wovon ich nicht ausgehe, und mache mich dann per Bus auf den Weg in die „City“.

Laut Wetterbericht wird es ’schland bald sehr kalt. Gestern sprachen sie sogar von Schnee. Hier ist es dagegen nach wie vor schön warm, ab Donnerstag droht aber Regen. Wir werden sehen. Heute habe ich also die alten Steine erobert – viele alte Steine.

mehr alte Steine

Zu „besichtigen“ war auch eine Menge schrecklicher Nippes in der Altstadt, die ohne den ganzen bunten Billigkram sicher sehr schön wäre. So ganz widerstehen konnte ich dem Kaufimpuls aber doch nicht. Ich habe in einem richtigen Schmuckgeschäft einen vergoldeten Silberring erstanden (runtergehandelt von 89 auf 70 Euro), der genau zu einem Halsreif passt, den ich schon länger habe, und zwei Requisiten für den Kirschgarten gefunden: ein Häkeltäschchen für mich als Ranjewskaja (das Handtaschenproblem war noch nicht gelöst) und ein großes Kreuz für Teresa als Warja, die ja immer davon redet, ins Kloster gehen zu wollen. Alle Billigklamöttchen, mehr oder weniger falschen Ledertaschen, Badeschwämme (bestimmt aus der Karibik und nicht von hier), Olivenprodukte, Honiggläser mit „Greetings-from-Rhodos“-Beschriftung, ultrahässlichen grellen Aquarelle von Häusern und Landschaften, die es garantiert nirgendwo auf dieser Welt gibt, und den übrigen Tand habe ich leichten Herzens hängen, liegen und stehen lassen – damit sollen sich mal die anderen Touris über den Tisch ziehen lassen. Kaum zu glauben, dass wirklich so viele Leute diesen Kram kaufen, dass zig Ladenbesitzer davon leben können.

Kleines Mitbringsel gefällig

Ich bin von den diversen Händlern (ebenso wie vom Hotelpersonal) auf allen wichtigen Sprachen dieser Welt angesprochen worden, aber nur einmal auf Deutsch. Offenbar sehe ich sehr international aus. Statt Shoppingrausch bin ich abseits der üblichen Wege durch die mittelalterliche Wallanlage gelaufen, auf einen (sehr kleinen) Turm gestiegen, durch die leeren Teile der Altstadt und am Hafen entlang geschlendert Unterwegs habe ich diverse intakte und kaputte Kirchen und Moscheen angeschaut, alle von außen, weil geschlossen. Essen habe ich glatt vergessen, aber einen Frappé gab es irgendwo auf einem schönen Platz mit einem Eulenbrunnen. Für den Rückweg habe ich mir ein Taxi gegönnt. Die Busse fahren hier so ungefähr-vielleicht-wenn-alles-gut-geht-und-nichts-dazwischen-kommt alle halbe Stunde ….  Sonnenbad musste ausfallen. Ich bin heut Vormittag erst gegen elf Uhr los und war bis halb sechs unterwegs – da war es dann schon zu kühl.

Die Frau, der ich das Kreuz abgekauft habe, hat mir noch ein paar Tipps für meinen Trip nach Lindos gegeben. Irgendwo auf dem Weg dorthin soll es zum Beispiel einen wunderschönen Wasserfall geben, den kaum ein Tourist entdeckt. Den werde ich suchen. Morgen miete ich mir ein Auto und fahre ein bisschen über die Insel. Den angebotenen Mopeds traue ich nicht recht…

Das mögliche 8-Gänge-Dinner habe ich auf 3 Snacks reduziert: Salat, Schwertfisch mit Tomatensugo (ohne den Reis) und zum Dessert Weintrauben + ein paar Bröckchen Käse – ok, ein ganz kleines Stückchen Bakhlava habe ich mir auch noch genehmigt (hmmmmm). Die Weinkarte ist lang, aber es gibt nur zwei Sorten, die glasweise (bzw. in 0,2l-Miniflaschen) ausgeschenkt werden. Die sind hier nicht auf Alleinreisende eingestellt; selbst das stille Wasser ist nur in 1l-Einheiten erhältlich. Der Chefkellner-Fatzke, der gerne ganz auf Französisch macht, hat gestern auch schon „Table for two, Madame“ gefragt, obwohl ich sehr offensichtlich allein war ….Den Namen der Traube des einen Weins hatte ich noch nie gehört, so dass meine Wahl auf die Alternative gefallen ist: eine Cuvée aus irgendwas + irgendwas anderes + Sauvignon Blanc. Das ist kein All-inclusive-Urlaub. Die Getränke und alles außerhalb Frühstück und Dinner gehen extra, aber die Preise sind nicht höher als in Frankfurt – nur beim Cappuccino schlagen sie mit 4,50 Euro zu, aber vielleicht ist das der Bar-Tarif.

Jetzt werde ich die 105 (!) Mails des Tages einsortieren. Ungefähr ein Viertel davon sind Newsletter o.ä., aber der arme Ralf hat gut zu tun. Wenn ich richtig gezählt habe, sind heute zehn Jobs reingekommen (z.T. aber nur ganz kurze Texte oder Projekte mit langen Deadlines). Ich habe ihm angeboten, irgendwas zu übersetzen, wenn es eng wird, aber das wird er nicht wollen, weil er mir diesen Urlaub wirklich gönnt. Habe eben gesehen, dass er schon zwei freie Übersetzer eingespannt hat – und heute ist erst Montag.

Wenn ich es schaffe, so lange wachzubleiben, schaue ich mir nachher einen Film im ZDF an – ZDF gibt’s, ARD nicht. Geredet habe ich auch heute nur mit dem Hotelpersonal und den Händlern in der „City“, aber im Moment fehlt mir das auch noch nicht. So komme ich wenigstens mal zur Ruhe.

das unvermeidliche Sonnenuntergangsfoto

Dienstag, 21. Oktober, 20 Uhr 14 Nachdem laut wetter.com ab morgen Wolken angesagt sind, habe ich Auto und Ausflug spontan verschoben und kurzerhand einen Lese-Döse-Lese-Schlaf-Lese-Tag am Pool eingelegt. Möglicherweise war das die letzte Gelegenheit, ordentlich Sonne zu tanken. Soll ja angeblich glücklich machen – als ob das so einfach wäre. Bis jetzt merke ich davon noch nix, aber mein Gesicht und die schon vorgebräunten Stellen nähern sich schon jetzt allmählich der Farbe eines Wienerwald-Opfers kurz vor dem Servieren. Der Rest hinkt ein bisschen hinterher – befremdlicher Anblick, aber den muss ja gerade keiner außer mir ertragen. Brandschäden sind keine zu vermelden.

Ich war also heute ein echtes Faultier. Hätte nie gedacht, dass das geht, und besonders befriedigend ist es auch nicht, aber man muss es mal gemacht haben, um das festzustellen. Erlebt habe ich somit so ziemlich gar nichts – mal abgesehen von einer theoretischen Reise in die Tiefen des männlichen Denkens und Fühlens (habe das Buch „Männerseelen“ von Björn Süfke durchgelesen), geholfen hat das nicht viel. Ok, Jungs ich verstehe Euch nicht, aber jetzt habe ich eine vage Ahnung davon, warum das so ist. Für einen kleinen Spaziergang hat die Energie vorhin noch gereicht. Dabei ist unter anderem dieses Bild eintstanden …. witzig, was diese Kameras heute alles so können.

Blümchen rot

Mittwoch, 22. Oktober, 22 Uhr 04 Bin geduscht, gesalbt und gefüttert und wieder zurück im Zimmer, wo das ZDF heute Fußball zeigt … und 67 Mails darauf warteten, einsortiert zu werden.

Das war ein Tag voller Eindrücke – um Längen besser als der gestrige. Mit dem geliehenen Auto, einem weißen Peugeot 106, eine nette wendige kleine Kiste für die griechische Inselpampa, bin ich in Richtung Lindos losgedüst, mit einem ersten Stopp an den empfohlenen 7 Springs, wo es jenen beeindruckenden Wasserfall zu begutachten geben sollte … allein, das Ding war ein Witz. Die sieben Quellen waren genau das: sieben kleine Stellen, an denen Wasser aus der Erde tröpfelte, kein Wasserfall. Um allen Missverständnissen vorzubeugen, standen an den sieben Wasserlöchern Schilder mit den Zahlen 1 bis 7. Außer mir hatten sich weitere etwa 20 Touristen eingefunden, die böse Worte ausstießen, missmutig grummelten oder, wie ich, furchtbar lachen mussten ob der fehlenden Attraktion…

Rinnsale

Statt fallender Gewässer gab es allerlei Geflügelgetier zu besichtigen – von der ordinären Ente bis hin zu zutraulichen Pfauen. Weil ich Geflügel lieber esse als beschaue, bin ich flugs weiter gen Lindos …

Nach ein paar Kilometern bin ich eher intuitiv von der Hauptstraße (vergleichbar mit einer schlechten Bundesstraße in good old Germany) an die Küste abgebogen und fand mich kurz drauf in einem kleinen Ort mit einem netten fast einsamen Sandstrand wieder – mit FREE Umkleidekabine. Na, da habe ich die Gelegenheit doch glatt genutzt, mal in den großen Teich zu hüpfen, zum ersten Mal seit etwa 15 Jahren. Das Wasser war ganz warm. Ich hatte schon fast vergessen, dass sich das ein bisschen so anfühlt, als würde man mit Neptun kuscheln. Nach etwa 15 Minuten hatte ich aber genug von der meerischen Zärtlichkeit (das Getränk war schon ziemlich versalzen).

Neptun lässt schön grüßen

Während mich der Wind getrocknet hat, habe ich noch schnell ein Feuerchen in Frankfurt gelöscht. Ein hochnervöser Kunde hat sich telefonisch bei mir beschwert, dass Ralf seinen ultradringenden Job nicht augenblicklich bestätigt hat – na, am Ende war natürlich alles halb so schlimm: Der Job war längst in Arbeit und ging später auch pünktlich raus.

Dann also weiter nach Lindos. Die Säulenreste waren eher jämmerlich, aber der Ausblick war jeden mühseligen Schritt wert. Der Weg dorthin wird einem nicht nur durch unzählige Stufen erschwert, sondern auch von einem Gassengewirr, das ultraeng, zum Teil ziemlich dunkel und vollgestopft mit Händlern ist – auch wieder so eine Altstadt, die sehr schön sein könnte, wenn da nicht die Menschen wären …. Hier habe ich mich dann auch prompt verlaufen und bin in den einsameren Teilen des Örtchens gelandet, wo es dann auch sehr griechisch war. Danach habe ich mir eine hübsche weißblaue Taverne mit Blick über die Küste gesucht und einen kleinen landestypischen Salat zu mir genommen. Bergsteigen macht halt Hunger.

klägliche Tempelreste

Und weiter ging‘s, diesmal quer über die Insel, weil ich auf der Karte einen großen See gesehen hatte. Die Straße dorthin war superkurvig, aber asphaltiert (keine Selbstverständlichkeit hier, tippe auf staatliche Infrastrukturinvestitionen zwecks Belebung der Konjunktur) und quasi autofrei – und er führte durch eine tolle rauhe Wald-Felslandschaft. Ich bin ganz langsam gefahren, weil es so schön war, und weil überall Ziegen rumliefen. Ich konnte ja nicht sicher sein, ob die Hotelküche noch welche gebrauchen konnte. Der See war dann allerdings ein Staudamm, von dem ich zu diesem Zeitpunkt aber fast nichts sehen konnte, weil man nur bis auf 200m herankam. Ein bisschen enttäuscht habe ich wieder umgedreht und wollte den Heimweg über die „Hauptstraße“ antreten, habe mich aber nach einem Blick auf die Karte für eine Abkürzung entschieden. Eine sehr gute Idee, denn dadurch bin ich an einem zauberhaften Ort gelandet: eine kleine Lichtung mit Blick von oben auf eben jenen Staudamm, an den ich vorher nicht herankam. Es herrschte eine unglaublich stille Stille. Immer wieder strichen Vogelschwärme über das Wasser … Das war so einer der Momente, die man lange mit sich herumträgt.

PSSST

Danach ging es aber wirklich nach Hause. Mittlerweile war auch die Sonne schon müde geworden. Dann wird es ja hier auch immer blitzschnell dunkel, und das mit den beleuchteten Schildern muss noch geübt werden. Aber ich habe auf ziemlich direkten Weg zurückgefunden – recht versalzen und schon wieder hungrig. Auf das „offizielle“ Hauptgericht habe ich aber verzichtet und mich auf Rohkost plus Garnelen und Lachs sowie ein Stück Makrele aus dem Ofen beschränkt, ohne Beilagen. So ganz ohne Carbs ging es dann aber doch nicht ab. Ich habe nämlich die Ecke mit selbstgemachten Eis entdeckt … davon mussten es dann doch noch zwei Kügelchen sein.

Jetzt bin ich einigermaßen k.o. und werde bestimmt bald einschlafen.

Donnertag, 23. Oktober, 23 Uhr 28 Der zweite Auto-Ausflugstag liegt hinter mir – heute berichte ich mal eher stichwortartig, weil ich nicht mehr ganz taufrisch bin nach einem erlebnisreichen Tag und dem Lobster-Dinner, das ich mir vorhin gegeben habe. Serviert wurden Hummersuppe mit Monstergarnele, Hummersalat, Fisch-/Meeresfrüchtespieß auf Gemüse, Zitronensorbet mit Ouzo, ein halber Lobster und zum Dessert eine mit Walnüssen gefüllte Baby-Birne mit Vanilleeis – alles lecker, fettarm und (abgesehen vom Dessert) carb-free. Hatte dazu eine 375ml-Flasche Wein (Muscat), eine große Flasche Wasser und danach einen sehr großzügig bemessenen griechischen Brandy mit mehr Sternen als das Hotel hat. Zum Glück bin ich kein Mann. Nach dem vielen Eiweiß hätte ich sonst sicher eine „unruhige“ Nacht. (hihihi).

Heute habe ich also:

(1) ein laut Reisführer „buntes Dorf“ gesehen, dass dringend einen neuen Anstrich braucht,

Anstrich gefällig

(2) eine römische Siedlung erkundet, die auch schon mal bessere Zeiten gesehen hat. Es stehen nur noch drei (zugegebenermaßen schöne) Säulen und ein paar Grundmauern

(3) enge Kurven fahren gelernt

(4) zwei Kastelle erstiegen, so dass ich das Wort „Kastell“ für alle Zeiten mit „vielen Treppen“, aber auch mit schönen Ausblicken in Verbindung bringen werde

Tree with a view

(5) den schlechtesten Frappé aller Zeiten getrunken (oder vielmehr nicht getrunken)

(6) drei tote Katzen auf der Straße gesehen und eine lebende Katze gestreichelt, die genauso aussah wie meine tote Mona

(7) ein Weindorf durchfahren, in dem gar kein Wein gemacht wird

(8) noch engere Kurven fahren gelernt

(8) einem ausgesprochen griechisch aussehenden Griechen ein Glas leckeren Pinienhonig (ohne „Greetings-from-Rhodes“-Aufschrift) abgekauft

(9) eine (ausnahmsweise geöffneten) alte Kirche bestaunt, die über und über mit Fresken bemalt war, in der ich aber nicht fotografieren durfte

(10) überholen in engen Kurven gelernt

Nach dem heutigen Sightseeing-Marathon  ist morgen eher Erholung angesagt: lang schlafen, lesen, Sport in der hoteleigenen Muckibude, vielleicht auch eine kleine Beautysession, Spaziergang am Meer.

Das Wetter ist schlecht (wolkig, Regenschauer, vorhin Gewitter) und soll es auch bleiben, und griechisch kann ich immer noch nicht, aber sonst ist fast alles bestens. Geredet habe ich allerdings immer noch mit niemandem. Allmählich wird’s doch ein bisschen einsam.

Freitag, 24. Oktober, 16 Uhr 07 Das mit dem Erholen klappt aber ganz gut. Eigentlich sind 8 Tage zu wenig. Man braucht erst ein paar Tage, um runterzufahren, und wenn man gerade unten angekommen ist, muss man sich schon wieder auf’s Hochfahren vorbereiten. Na, zwei Tage habe ich ja noch.

Die Beauty-Session, so ein Entschlackungs-/Anti-Dellen-Ding, war sehr effizient. Ich bin schön glatt und habe ordentlich entwässert …. Die hübsche zarte Person hat mir zuerst einen „Papier-Tanga“ zum Anziehen in die Hand gedrückt – sah nett aus das Ding an mir, sollte ich mir mal in einer Stoffvariante zulegen, man weiß ja nie. Dann hat sich mich mit einer grünlichen Masse bekleistert, in Alufolie und Handtuch gepackt und 20 Minuten herumliegen lassen. Die Masse hat sich und mich in dieser Zeit ordentlich erhitzt. Danach schickte sie mich unter die Dusche geschickt, drapierte mich auf der Liege drapiert und walkte mich nach allen Regeln der Kunst durch – unter Zuhilfenahme diverser Cremes und Wässerchen. Es wurde abgestrichen, massiert und geklopft (bin gespannt, ob sich morgen der eine oder andere blaue Fleck findet), sie hat tatsächlich eine Stelle entdeckt, an der ich kitzelig bin. Ich dachte immer, das sei bei mir nicht eingebaut, aber man lernt immer dazu … Jetzt bin ich jedenfalls tiefenentspannt, fühle mich straffer an (eigentlich schade, dass niemand was davon hat) und bin schon wieder müde. Vielleicht sollte ich es den restlichen Hotelgästen gleichtun und meinen harten Faulenzertag mit einem Nickerchen unterbrechen. Hier in der Anlage herrscht nämlich gerade gespenstische Stille. Kein Laut außer den obligatorischen Vogelpiepsern, und auf dem Balkon neben mir ist ein ältlicher Brite über einem F. Forsyth eingeschlafen. Während ich genussquält wurde, hat es ordentlich geregnet. Der Pool ist verlassen, die Wege patschnass.

Es bleibt wolkig aber trocken, ich werde aber kein Nickerchen machen, sondern meine Mails sortieren, um zu schauen, was mir am Montag so alles bevorsteht. Dann werde ich mich in ein Jäckchen hüllen, mit dem Fotoapparat am Strand entlang laufen und ein paar Fotos machen, wenn ich was Nettes vor die Linse bekomme.

Samstag, 25. Oktober, 10 Uhr 45 Habe gestern das E-Mail-Sichten verschoben und bin gleich los ans Wasser. Hier wird es ja immer schon so früh dunkel. Der Strand war menschenleer, weil wohl alle Angst vor dem nächsten Regenguss hatten – Recht hatten sie. Ich bin in ein ausgewachsenes Gewitter mit Wolkenbruch geraten und bis auf die Haut nass geworden, aber gelohnt hat sich der Ausflug doch. War ein tolles Naturschauspiel und bevor es richtig anfing zu regnen, habe ich noch einen Riesenfisch gesichtet, der vor der Küste munter mit sich selbst gespielt hat. Mein Versuch,  ihn zu fotografieren gestaltete sich aber schwierig. Zum einen war er naturgemäß immer nur sehr kurz über Wasser, zum anderen ist meine Kamera nun doch nicht ausgestattet. Das Meertier sah aus wie ein Wal, was aber natürlich Quatsch ist. Ich muss nachher noch mal irgendwen fragen, was für Monsterfische sich hier so tummeln. Vielleicht entwickelt sich daraus ein Gespräch – wäre das ersten in diesem Urlaub.

Nach dem Essen (Rohkost, Salat, Fisch – die bieten hier tatsächlich jeden Abend 4-5 verschiedene Arten aus Ofen und Sud – und zwei Kugeln Eis) habe ich dann wirklich ein intensiverer Blick auf die Mail-Massen geworfen… ich werde heute ein bisschen arbeiten, damit am Montag nicht gleich wieder die ganze Erholung zum Teufel ist. Den Film im ZDF, einen Krimi, in dem es neben dem Mord auch um gefakete Filmaufnahmen und Kamera-Drohnen-Belästigung ging,  habe ich natürlich zur Hälfte verschlafen, aber bei der Heute-Show war ich dann wieder wach. Heute Morgen war ich auch schon früh fit, habe das „Kaktus-Buch“ zu Ende gelesen (das allerdings ab der Mitte nicht mehr so interessant ist) und bin spät zum Frühstück, damit ich nicht mitten am Tag plötzlich Hunger kriege. Die Waage in meinem Zimmer sagt, dass ich ein gutes Kilo zugenommen habe. In Anbetracht der enormen Ruhe, des vielen Schlafs und der kulinarischen Verlockungen hier halte ich das für akzeptabel. Das ist bis Ende der nächsten Woche wieder weg.

Nun suche ich mir mal ein gemütliches Plätzchen, um ein paar wundervolle Texte zu übersetzen.

Uuups, jetzt fängt es an zu regnen … hmmm, das hatte ich so nicht gebucht ….

Regen war nicht verabredet

Samstag, 25, Oktober, 13 Uhr 50 Für zwei Sonnenstündchen hat es dann eben doch noch gereicht – alles sehr wechselhaft hier. Wenn es nichts zu Arbeiten gäbe, würde mir jetzt allmählich doch langweilig. Von der im Hotelprospekt angekündigten Animationssache habe ich bislang noch nichts bemerkt … ist wahrscheinlich besser so.

Zu Mittag gibt es ein Äpfchelchen und einen Müsliriegel – diese Carb-free Frühstücke halten nicht lange an, wenn man arbeitet, und das habe ich bis jetzt. In ein/zwei Stündchen dürfte aber alles vollbracht sein. Der Rest ist Urlaub. Habe mir für morgen einen Late-Check-out gesichert, damit ich nicht stundenlang heimatlos und in voller Montur herumlungern muss, bevor ich gegen halb sechs zum Flieger aufbreche. Der Flug soll gegen acht Uhr Ortszeit losfliegen und um 22 Uhr 30 in Frankfurt ankommen (auch Ortszeit). Ich hoffe mal, dass ich das ganze Zeitverschiebungsdurcheinander hinkriege. Zu allem Überfluss wird ja die Uhr heute Nacht umgestellt, aber wird schon. Muss nur aufpassen, auf welche Uhr ich schaue. Die Armbanduhr konnte ich nämlich nicht umstellen, weil sie keine Krone hat und ich den Stellmagneten zuhause gelassen habe. Aber das Handy zeigt mir ja immer die richtige Zeit an, also alles kein Problem.

Gerate gerade ins Schwafeln … jetzt übersetze ich aber noch ein bisschen weiter und danach lasse ich es mir gutgehen. Vielleicht sollte ich heute ausnahmsweise zu einem Sundowner in Form eines kleinen Gin Tonics greifen. Ich war hier bislang alkoholmäßig sehr zurückhaltend: Nix Hochprozentiges außer dem Brandy nach dem Lobster-Dinner und abends nur ein Glas Wein zum Essen, aber alleine trinken hat auch was Erbärmliches.

Sonntag, 26. Oktober, 14 Uhr 05 Mein Abend war ruhig und erholsam. Habe nach dem Abendessen noch ein paar Worte mit dem Chef der Autovermietung gewechselt. Ein Mensch hat mit mir geredet. Zuerst glaubte ich in grenzenloser Selbstüberschätzung, dass das ein Flirtversuch werden sollte. Tatsächlich wollte er mit mir die politische Situation in Europa allgemein und in Griechenland im Besonderen diskutieren. Er sprach aber so schlecht Englisch, dass er mir kaum folgen konnte (ich ihm auch nicht). Deshalb habe ich das Ganze nach 20 Minuten abgebrochen und mich vor den TV verzogen. Heute Morgen ist mir aufgefallen, dass ich in den letzten acht Tagen kein Wort Deutsch gesprochen habe.

Entspannt bin ich jetzt jedenfalls, aber das hat auch Nachteile. Wenn ich ordentlich kaputt bin, schlafe ich immer tief und traumlos. Seit drei Tagen träume ich jede Nacht wirres Zeug. Heute Nacht muss es besonders schlimm gewesen sein. Bin mit viel Salz im Gesicht aufgewacht, kann mich aber nur bruchstückhaft an die Träume erinnern – ist vielleicht besser so.

Heute geht es also wieder zurück. Habe heute Vormittag noch die letzten beiden Sonnenstunden eingefangen und sitze jetzt regengeschützt an der Poolbar mit einem Frappé. Der Koffer ist noch nicht gepackt, aber dafür ist ja gleich noch Zeit. Habe mein Zimmer bis 17 Uhr verlängert und mache mich gegen halb sechs auf den Weg zum Flugplatz (Flughafen wäre wirklich ein zu großes Wort dafür). Das mit den Orts-, Sommer- und Winterzeiten habe ich auch im Griff.

Das war er also quasi, mein erster „Alleinurlaub“ – meine schlimmsten Einsamkeitskummerbefürchtungen haben sich nicht bestätigt. Ich bin in keinen tiefen Frust verfallen, habe mir aber dennoch oft gewünscht, nicht so allein zu sein. Ohne moderne Kommunikationstechnik hätte das möglicherweise anders ausgesehen.

Keinen einzigen Kompromiss eingehen zu müssen, hat durchaus Vorteile, macht aber nicht glücklich. In Zukunft muss ein zweiter Mensch her, oder auch eine Gruppe. Für dieses Mal war es aber ok. Ich war viel mit mir selbst und meinem wirren (Gefühls-)leben beschäftigt, bin aber in Sachen „ich“ oder „wir“ zu keinen neuen Erkenntnissen gelangt. Das lasse ich jetzt mal einfach auf mich zukommen. Vielleicht ist das ja die Erkenntnis.

Gelernt habe ich, dass ich viel besser Urlaub organisieren kann, als ich geglaubt habe. In den „Wir-Kurzurlauben“, die eigentlich immer Städtetrips waren, hat Ralf fast alles geplant und ich dachte, das sei auch besser so. Aber das ist Quatsch…. In unseren Urlauben haben mir auch oft die Ruhephasen gefehlt, der Tag am Pool oder am Strand, und ich wollte immer mal einen faulen Urlaub ausprobieren. Jetzt hätte ich einen haben können, aber das reine Faulsein ist mir schon nach einem Tag langweilig geworden. Vielleicht wäre das zu zweit anders gewesen. Meer und Sonne habe ich aber wirklich genossen. In Zukunft wird es für mich öfter Urlaube im Süden geben. Das weiß ich jetzt auch.

Hier scheint es sich jetzt einzuregnen und es wird ziemlich kühl. Gar nicht so schlecht, dann gewöhne ich mich schon mal langsam an das Wetter, das mich zuhause erwartet. Ich verziehe mich mal auf meine Luxusbude zum Koffer packen.