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Kategorien-Archiv: Beobachtungen

Neulich im Supermarkt

23 Montag Feb 2015

Posted by anette quentel in Beobachtungen, People & Places, Supermarkt

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Blog, Quentel, Supermarkt

Samstagabend, 23.30 Uhr. „Warum ich mir einen Einkauf zu nachtschlafener Zeit antue?“ Weil ich es kann, und weil ich morgen früh den Tisch voller Frühstücksgäste habe, die ich mit den zwei glücklichen Hühnereiern und dem halben Glas Mama-Marmelade im Kühlschrank auf keinen Fall satt machen kann. Also strebe ich auf meinem Heimweg nach dem Theater und einem netten Dinner zusammen mit erstaunlich vielen, zum Teil recht spärlich bekleideten jungen Menschen in den Supermarkt im Keller des MyZeil. Der Sonderstand mit den leckeren Käsecremes hat schon zusammengepackt. Der junge Mann grüßt mit einem bedauernden „Montag wieder! – Dann alles ganz frisch!“. Hmm, heute also nicht mehr frisch. Gut, dass ich nicht schon vor einer halben Stunde da war. Also rein ins Wunderland der vornehmlich luftdicht verschweißten Köstlichkeiten. Der Einkaufskorbbehälter am Eingang des Supermarkts ist leer, aber es gibt noch Einkaufswagen. Eigentlich mag ich keine Einkaufswagen, weil mit ihnen die Gefahr groß ist, dass ich mehr kaufe als ich tragen kann … aber das nur nebenbei. Am Leergutautomaten hat sich eine kleine Schlange gebildet und erschwert den Durchgang. Einige haben riesigen Taschen mit leeren Flaschen und Dosen dabei – die Ausbeute des heutigen Tages. Der/die eine oder andere könnte mal wieder eine Dusche vertragen. Ein frischrasierter Herr im Anzug, ebenfalls bepackt mit viel Plastik und Blech, macht mir den Weg frei und lächelt mir zu – irgendwie passt er nicht so recht in die Schlange. Ich gehe im Kopf meine Einkaufsliste durch. An den Obst- und Gemüseregalen ist kein Mensch zu sehen. Offenbar kauft man zu dieser Zeit nix Gesundes. Ich schnappe mir einen Beutel Saftorangen und wende mich gen Frischetheke und den nicht verschweißten Leckereien zu. Hinter dem Verkaufstresen steht eine junge Frau und gähnt – kein Wunder: Auch für sie ist es bereits halb zwölf. Sie versucht mich davon zu überzeugen, dass der vorgeschnittene Parma genauso gut und frisch ist wie der am Stück. Ich bleibe standhaft, verkneife es mir jedoch, meinem „150 Gramm bitte“ ein „Aber bitte schön dünn“ hinterzuschicken. Schön dünn werden die Scheiben trotzdem. Beim Käseabschneiden antworte ich auf ihr „So?“ schon fast automatisch: „Etwa halb so viel“. Warum ist eigentlich für professionelle Käseabschneider immer 250g die kleinste Einheit? Muss das Ergebnis eines Verkaufstrainings sein. Jetzt rüber zum Fischangebot, begleitet von der Verkäuferin, die offenbar um diese Zeit für alle offenen Lebensmittel verantwortlich ist. Die Fischsalate überzeugen mich ebenso wenig wie der Graved Lachs – stehen wohl auch schon eine Weile, aber wer braucht schon Heringssalat zum Frühstück. Und für den Lachs greife ich später ins Regal. Während ich noch mit mir ringe, ob Räuchergarnelen eine gute Idee sind oder nicht, dringt eine Jungmännerstimme in mein Ohr „Ey, Alter, auch hier! Geil – was geht?“ Sie gehört einem mittelschwer angetrunkenen Bub, der so aussieht, als dürfte er eigentlich gar nicht hier sein. Sein Kumpel, „Alter“, wirkt kaum älter. Ich entscheide mich für die Garnelen, als von rechts eine ältere Dame mit lavendelfarbenen Haaren herantrippelt und an der Käsetheke Position bezieht. Irgendwo hat sie einen Einkaufskorb ergattert. Noch während die Verkäuferin meine entschalten Schalentiere abwiegt und ich staune, wie wenig in diesem Fall 100 Gramm sind, ruft die alte Dame ein bisschen schrill: „Fräulein, sind Sie auch für Käse zuständig?“. Die junge Frau lächelt gelassen (vielleicht auch nur erschöpft) und ruft zurück „Moment Frau Peters, ich komme gleich“. Mich klärt sie auf: „Die kommt jeden Abend um diese Zeit und kauft drei Scheiben Käse für sich und 40 Gramm Kalbsleberwurst für ihre Katze Minka, die eigentlich ein Kater ist“. Da soll noch mal einer sagen, in den Supermärkten der City herrsche Anonymität. Ich ziehe weiter zum Michprodukteregal; auch hier kaum ein Kunde auszumachen. Bin mal wieder überwältigt von der Auswahl und muss mich zunächst orientieren. Wer braucht bitte sieben verschiedene Sorten „Frischkäse natur“? Während ich noch zwischen 10% und 20% Fettanteil schwanke (am Ende wird es der mit den 20%), passieren mich viele gut gelaunte Menschen mit leeren Händen und ohne Einkaufsbehältnis. Was machen die hier? Findet an den Eistruhen vielleicht eine Party statt? Da wäre ich glatt dabei. Am Joghurtregal wieder das Auswahlproblem. Neben mir steht eine geradezu kriminell schlanke junge Frau, die sich die Nährwertangaben jeder einzelnen Sorte durchliest. Ihre Wahl fällt auf fünf Becher von irgendetwas, das mit einer riesigen 0,2% beschriftet ist, bestimmt ganz furchtbar schmeckt aber perfekt zu den DuDarfst-Würstchen in ihrem Wagen passt. Ich habe mich unterdessen für ein Milcherzeugnis nach griechischem Rezept entschieden, die einzige traditionell hergestellte Milch aus den sieben angebotenen Sorten herausgefischt, den Lachs meines Vertrauens gefunden und zehn jüngere Geschwister meiner glücklichen Eier ausgewählt. Auf meinem Einkaufszettel im Kopf ist alles abgehakt. Ich schlendere also weiter dem Gemurmel in der Nähe der Kasse entgegen. Langsam werden die Gänge voller. Kurz bevor ich zur Zahlstelle abbiege, fällt mir ein, dass Sekt zum Frühstück eine nette Idee wäre, und da ich schon mal hier bin, kann ich auch gleich ein Fläschchen Tonic mitnehmen. Vielleicht genehmige ich mir nach dem gelungenen Einkauf zuhause noch einen kleinen Gin dazu. Hier zwischen den Getränkeregalen finde ich die Antwort auf die Frage, wo die Teens und Twens alle hinwollten: Zwei junge Mädchen diskutieren, ob sie ihren Wodka mit normalem Red Bull oder mit der Light-Version verlängern sollen. Ein älterer Herr studiert die Etiketten und Preise aller angebotenen Weinbrand-Sorten, ein etwas unruhig wirkendes Paar steht ratlos vor der Champagner-Auswahl und entscheidet sich dann für den Gang zum Kühlregal – offenbar ein dringender Fall. Von weiter hinten höre ich das Geräusch einer zerbrechenden Flasche, gefolgt von einem deftigen „Ey Scheiße, Alter!“ Ich glaube, den jungen Mann kenne ich. Ich passiere eine Gruppe Mädels, die intensiv ausdiskutieren, ob der echte Baileys wirklich die 6 Euro Mehrpreis wert ist, und da ist auch der rasierte Anzugmann aus der Leergutschlange wieder. Er wirkt ebenfalls einigermaßen unentschlossen. Ich schnappe mir eine Flasche Gräger und will jetzt wirklich nach Hause. So schnell wird das aber nichts: Megaschlangen an der Kasse, obwohl fast alle Bänder besetzt sind. Ich suche mir die beste aus. Die Wahl der Kasse ist eine Wissenschaft für sich: Nicht alle Kassiererinnen sind gleich schnell, die Kunden haben unterschiedlich viel eingekauft, und die Bänder stehen versetzt. Nicht selten erweist sich die auf den ersten Blick kürzeste Schlange am Ende als die längste. Zufrieden mit meiner Entscheidung sehe ich gelassen dem Ende meiner nächtlichen Lebensmitteleroberung entgegen. Aber heute haben mir meine wundervollen klugen Vorüberlegungen nichts genutzt. Als erstes gehen der Kassiererin die kleinen Scheine aus. Sie greift zum Mikrofon: „Herr Volkert, bitte abschöpfen und kleine Scheine an Kasse 4“. „Abschöpfen“ gefällt mir. Herrn Volkert offenbar auch. Er ist blitzschnell zur Stelle. Dann gibt es Streit zwischen ein paar Jugendlichen darüber, wer mit seinem Taschengeld für die Rechnung aufkommen muss, kurz darauf funktioniert das EC-Kartenlesegerät nicht – auch nicht beim siebten Versuch. Hier kann Herr Volkert nicht helfen. Der Einkauf muss an der Nachbarkasse neu eingegeben werden. Die Kundin ist sauer. Aber allmählich kann ich das Gesicht der Kassiererin erkennen. Das Ende naht. Ich packe meine gesammelten Frühstückszutaten auf das Band als mir plötzlich Rasierwasserduft in die Nase steigt. Hinter mir steht der Anzug-Mann mit dem Ergebnis seiner Einkaufsüberlegungen: eine Flasche Billig-Gin. Er lächelt mich an. Weil ich ein freundlicher Mensch bin, lächele ich zurück. Das scheint er misszuverstehen. „Du scheene Frau. Siehst Du? Gin und Tonic … passt gutt. Du haben Lust auf trinken zusammen?“ Ich danke freundlich aber ablehnend, aber er gibt noch nicht auf. „Warum nicht wollen? Du allein, ich allein – mache scheene Abend, habe Spaß bisschen. Ich guter Mann.“ Mit meinem diesmal energischen „Nein, ganz bestimmt nicht“ bin ich glücklicherweise an der Kasse angelangt und jeder weiteren absurden Diskussion enthoben. Ich zahle cash, damit sich mein Aufenthalt nicht noch durch das ja offenbar heute etwas labile Kartenlesegerät verlängert. Beim Einpacken höre ich die Kassiererin sagen: „Da fehlen noch 15 Cent.“ Vor ihr liegt die Barschaft des unternehmungslustigen Herrn: ein 5-Euro-Schein, der Bon aus dem Leergutautomaten und viele kleine Münzen. Der „gute Mann“ sieht ziemlich verzweifelt aus, kramt in seinen Anzugtaschen, blickt hilflos um sich, zuckt mit den Schultern. Ich fasse mir ein Herz, gebe ihm 15 Cent und mache mich rasch aus dem Staub. Im Weggehen höre ich ihn noch rufen „Danke, Du sein gute Frau!“

Neulich bei Conrad

01 Sonntag Feb 2015

Posted by anette quentel in Beobachtungen, Conrad, People & Places

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Blog, Conrad, Quentel

Samstagvormittag: Der Laden ist knallvoll mit Menschen und es kommen immer mehr – so viele, dass die Eingangsklappschranke gar nicht mehr zugeht, was einige dazu bewegt, sie als Ausgang zu nutzen. Das hatte sich der Shopdesigner sicher anders vorgestellt, und hilfreich ist es auch nicht. Ich frage mich, wie dringend ich die Glühbirne wirklich brauche, seufze ein heimliches „dringend genug“ und werfe mich heroisch ins Gewühl. Anstatt schnurstracks auf das Glühbirnen-Regal zuzugehen, lasse ich mich ablenken: Was es nicht so alles gibt … und wer braucht die ganzen technischen Spielereien? Offenbar viele, sonst wäre es hier ja nicht so voll. Ich schaue mir der Ordnung halber die Handy-Etuis und ‑Halter für’s Auto an. Für Blackberrys gibt’s nix – überrascht mich nicht, für Blackberrys gibt es fast nirgendwo etwas. Kein Wunder, dass ich immer mal gefragt werde, wann ich mir denn endlich ein „richtiges“ Handy zulege. Ich lasse mich weiterschieben, vorbei an einer Auswahl von Telefongeräten (werden wohl irgendwann aussterben), Adaptern für so ziemlich alles (außer für Blackberrys, versteht sich), kabellosen Türklingeln mit den tollsten Geräuschen (nein, ich möchte nicht, dass sich meine Besucher mit einem Froschquaken ankündigen), Heizkörperreglern mit Fernbedienung, damit man nicht mehr von der Couch aufstehen muss, wenn einem vom vielen Sitzen zu kalt geworden ist, Überwachungskameras (So klein sind die mittlerweile? Wer weiß, wie oft ich schon „überwacht“ wurde, ohne es zu merken.), fröhlich-bunten Schrumpfschläuchen … Irgendwo setzt das ohrenbetäubende Piepsen einer Alarmvorrichtung ein. Kann das bitte mal jemand abstellen? Kann niemand, zumindest nicht in den nächsten zwei Minuten. Ok, und eigentlich will ich ja auch nur eine Glühbirne, also weiter. Im Vorbeigehen schnappe ich mir aus zweiter Reihe noch einen 3er-Steckdosenadapter (dachte, die seien in Deutschland gar nicht mehr zugelassen) und dann ab nach links hinten – oh je: vier Regale voller Glühbirnen. Das ist ja wie bei den Joghurts im REWE. Von hinten trifft mich ein Rucksack, von der Seite ein Ellbogen. Ich trete beiseite und der Rucksackträger straft mich mit einem bösen Blick. Er mich! Ich lächle gequält, sage aber nichts und verhindere so einen Streit. Ich will nur eine Glühbirne. Um das Sortiment in Gänze zu begutachten, muss ich zwischendurch immer wieder in die Hocke gehen und bekomme in dieser Position irgendein Knie an die Schulter gedrückt, das, als ich Gegendruck erzeuge, schweigend in der Menge verschwindet. Eine junge Frau murmelt „Sorry“ und schiebt mich beiseite – will wohl auch Leuchtmittel und hat es offenbar eilig. Unterdessen ertönt wieder ein ohrenbetäubendes Piepsen. Ich rutsche auf Knien nach links, um der Frau einen flinken Glühbirnenzugriff zu ermöglichen, und sie dadurch schnell wieder von meiner Seite zu wissen. Auf einmal blicke ich in das Gesicht eines kleinen Mädchens, das trotzig die Lippen zusammenkneift. Ihre Mutter redet auf sie ein: „Lenchen, mach die Hand auf. Ich muss doch dem netten Mann hier zeigen, was für eine Batterie wir brauchen, sonst kann er uns nicht helfen“. Der Verkäufer in optimistischem Blau zwingt sich zu einem geduldigen Lächeln, aber seine Finger zappeln ziemlich nervös. „Marlenchen, sei lieb, mach die Hand auf.“ Marlenchen will nicht. „Marlenchen, gleich gehen wir eine Waffel essen, ja?“ Keine Reaktion. „Marlene, jetzt ist aber Schluss! Gib der Mama die Batterie. Los, mach die Hand auf!“ Mama kniet jetzt auch und redet immer vehementer auf die Kleene ein, die kräftig den Kopf schüttelt, so dass die Löckchen lustig wippen. Mama hat genug. Mit sanfter Gewalt öffnet sie die kleine Faust des Mädchens. Marlene setzt zum Greinen an, beruhigt sich aber schnell wieder. Offenbar spürt sie, dass das jetzt keinen Sinn hätte. Aus der kleinen verschwitzten Kinderhand kommt eine winzige Knopfzelle zum Vorschein. Der Verkäufer, sichtbar erleichtert, dass er jetzt endlich helfen darf, meint mit einem prüfenden Blick: „Nee, tut mir leid, da müssen Sie zu Ihrem Autohersteller …“ Mama bedankt sich leicht frustriert und zieht mit Lenchen ab. Zurück zu meiner Glühbirne. Nach etwa fünf Minuten finde ich, was ich suche – natürlich nicht ganz unten, sondern ganz oben an der Wand. Hoppla, 12,95 Euro soll das Wunderwerk der Energiespartechnik kosten. Wie lange wird es wohl dauern, bis ich die 12,50 Mehrkosten gegenüber einer guten alten Glühfadenlampe durch den geringeren Energieverbrauch eingespart habe? Könnte ich ausrechnen, will ich aber nicht. Habe sowieso keine Wahl. Jetzt nichts wie weg zur Kasse. Auf halbem Weg dorthin fällt mir auf, dass ich eine Birne mit dem falschen Gewinde erwischt habe – also zurück, nochmal suchen, finden und wieder zur Kasse, wo mich erwartungsgemäß eine Schlange erwartet. Erneut stelle ich mir die Frage, wie dringend ich die Birne brauche. Aber jetzt aufgeben? No way. Nach gefühlten zehn Minuten setzt mal wieder ein ohrenbetäubendes Piepsen ein. Der Mann hinter mir meint, der Piepton sei in allen Conrad-Filialen gleich. Ihm ist langweilig, mir auch. Wir kommen also ins Gespräch über lautstarke Alarmsysteme und ihre Notwendigkeit – ohne Ergebnis, aber so lässt sich die Wartezeit verbringen. Als sich das Gespräch zu erschöpfen droht, fällt ihm auf dem Nebenband der Einkauf eines Mannes auf: „Oh, da scheint jemand Modellflugzeuge zu bauen“. Ich antworte, dass sich mir der Reiz des Modellflugzeugesteigenlassens bislang noch nicht erschlossen habe. Er klärt mich auf, dass ich das wohl sowieso nicht könnte – als Frau. „Ach ja? Warum denn das?“ Das läge daran, dass man dazu dreidimensional denken müsse, und damit täten sich Frauen naturgemäß schwer (Stichwort Einparken). Ich muss grinsen und entgegne, ihn ein bisschen auf den Arm nehmend, dass das bestimmt daran läge, dass sich die Frauen in der Steinzeit nur in der Höhle aufgehalten hätten und ansonsten für das Beerensammeln zuständig gewesen seien, so dass sich bei ihnen diese Fähigkeit wohl nicht so gut entwickelt hätte, wie bei den Männern, die ja auf der Jagd bewegliche Ziele treffen mussten. Das erscheint ihm einleuchtend, aber er berichtet auch noch sehr überzeugt von irgendwelchen Studien, nach denen die Gehirnhälften von Frauen miteinander verknüpft seien und die von Männern nicht. Dabei versucht er die Kurve zu kriegen und verweist wohlwollend darauf, dass Frauen deshalb die meisten Dinge viel besser könnten als Männer. „Aber Modellflugzeugfliegenlassen und Einparken gehören nicht dazu“, entgegne ich mit einem ironischen Lächeln. Er versteht die Ironie nicht, sondern nickt zustimmend. Innerlich schütte ich mich vor Lachen aus. Nach ein paar Umwegen über einige sehr abstruse Theorien zum Thema „natürliche“ Unterschiede zwischen Männer- und Frauen-Talenten, will er mir noch weismachen, dass sich Frauen viel besser unnütze Dinge merken könnten als Männer. Ich frage ihn, ob er das Buch „Nichts kann ich mir am besten merken“ von Tim Frühling kenne. Er kennt es nicht, will es aber jetzt unbedingt lesen. Der wird sich wundern. Mittlerweile sind wir bis zur Kasse vorgerückt. Er wirkt ein bisschen enttäuscht. Offenbar redet er gerne mit zweidimensionalen Menschen, deren Kopf voll von unnützem Wissen ist. Ich wünsche ihm noch ein „schönes dreidimensionales Wochenende“, und er gibt mir ein „Viel Spaß beim Elektrogeräte einstöpseln“ auf den Weg – er hatte wohl auch meinen Einkauf gescreent und dabei sicher viel nützliches Wissen erworben. Belustigt lenke ich meine Schritte gen Konstabler Markt. Demnächst bestelle ich meine Glühbirnen im Internet.

Neulich im Zootheater

26 Montag Jan 2015

Posted by anette quentel in Beobachtungen, People & Places, Zootheater

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Anette Quentel, Blog, Theater

Ja, ich weiß, „Zootheater“ ist ein wenig despektierlich, denn eigentlich heißt die Bühne ja mittlerweile „Fritz Rémond Theater im Zoo“. Aber hier in Frankfurt weiß jeder sehr genau, was mit „Zootheater“ gemeint ist, also bleibe ich dabei.

Am Freitagabend habe ich mir mit einem Freund „Ziemlich beste Freunde“ angesehen. Vorletzte Vorstellung nach durchweg guten Kritiken. Dementsprechend hoch waren unser Erwartungen, zumal uns der Film begeistert hatte und wir sehr gespannt waren, wie sie den Stoff auf der Bühne umsetzen würden.

Der Ticketkauf war fast schon ein Theaterstück für sich. Weil ich ahnte, dass es voll werden würde, habe ich mit einer Woche Vorlauf geplant. Ich kaufe Tickets immer online, ein Service, den auch das Zootheater bietet. Dumm nur, dass man sich hier die Plätze nicht aussuchen kann. Man bucht eine Kategorie und muss sich dann darauf verlassen, die besten verfügbaren Plätze dieser Kategorie zugeteilt zu bekommen. Bei irgendetwas nicht die Wahl zu haben, ist für mich ja immer suboptimal, und woran genau die Güte der Plätze gemessen wird, weiß man leider auch nicht. In diesem Fall kam erschwerend hinzu, dass ich zunächst nur ein Ticket gekauft hatte und jetzt ein zweites brauchte. Zwei Menschen, die miteinander ins Theater gehen, möchten in der Regel nebeneinander sitzen. Das geht bei diesem Online-System natürlich nicht. Also rief ich direkt im Theater an. Da wird doch sicher was zu machen sein, dachte ich…

Die Dame offenbar sehr im Stress. Jedenfalls fehlt ihr die Zeit, mich aussprechen zu lassen. Ich begann mit dem Hinweis, dass ich ein Ticket online gekauft hatte und gerne ein zweites hätte … wurde aber sofort unterbrochen. „Also mit dem Indenet, da hab‘ isch ja ma gar nix am Hut, und außerdem is‘ heut‘ sowieso alles ausgebucht“. Das war nicht meine Frage. Ich wollte ein Ticket für die folgende Woche und zwar für einen der Plätze neben mir. Zu diesem Zeitpunkt war ich leichtfertigerweise noch davon ausgegangen, irgendwo mittendrin zu sitzen. Nach zwei weiteren Anläufen war meine Botschaft angekommen. „Ei, dann muss isch halt ma‘ gugge – eigendlisch hab‘ isch ja grad‘ gar kei‘ Zeit für so ebbes – also wo sitze‘ Se jetzt?“

Wie sich herausstellte, war für mich ein Platz in der letzten Reihe der von mir gebuchten 1. Kategorie ganz außen vorgesehen. Hmm, das war also gestern der „beste verfügbare Platz“ gewesen. Kann sein, kann nicht sein. Wie sich außerdem herausstellte, gab es mittlerweile in meiner Kategorie gar keine Plätze mehr, wohl aber noch einen einzelnen Sitz drei Reihen dahinter. „Aber mittisch is des au‘ net.“ Gut, wir wollten das Stück sehen, von wo aus auch immer: Also dann eben jener einzelne Sitz. Angesichts der offenkundigen Hektik im Kassenbüro habe ich dann noch nicht einmal gefragt, welchen Platz ich denn jetzt genau gebucht hatte. Und bevor sie mir das Ticket am Ende wieder wegnahm, habe ich der Dame dann auch noch versprochen, es spätestens eine Stunde vor Vorstellungsbeginn abzuholen. Als ich ihr noch einen schönen Tag wünschen wollte, hatte sie schon aufgelegt.

Ich war am Vorstellungabend also schon um sieben Uhr dort. Das Theater war noch ganz leer. Wie haben es wohl die anderen Ticketbewerber hingekriegt, nicht schon so früh da sein zu müssen? Persönliche Vorsprache vor Ort? Blumenbouquet? Pralinenschachteln? Diamanten? An der Kasse neben mir stand ein blonder Mann, den ich schon mal irgendwo gesehen hatte. Nach einem zweiten Blick die Erkenntnis: Das war Sigmar Solbach, die Hauptrolle. Ein Ticket musste er nicht kaufen, aber sich offensichtlich in eine Liste eintragen. Ob die Schauspieler hier wohl nach Anwesenheit bezahlt werden? Aber dann wäre er doch sicher nicht erst eine Stunde vor Arbeitsantritt aufgetaucht. Vielleicht war das auch gar keine Anwesenheitsliste, sondern die Pizzabestellung für die Pause, oder eine Unterschriftensammlung der Schauspielergewerkschaft … na, egal.

Auf meinem Spaziergang durch das Zooviertel – weil wir erst um Viertel vor acht verabredet waren, hatte ich ja massig Zeit – habe ich gleich mal gecheckt, ob der Koch des für nach der Vorstellung ins Auge gefassten Restaurants Leon d’Oro auch zu später Stunde noch bereit sein würde, seines Amtes zu walten (man kann ja nie wissen). Er war bereit!

Zurück im Theater war das Haus bereits knallvoll und ich wurde schon erwartet. Ein bisschen später dran zu sein als die meisten, hat aber den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass es keine Schlange an der Garderobe gibt. Der Großteil der Besucher tummelte sich bereits mit Sektchen in der Hand im Vorraum des Zuschauerraums. Eine bunte Gesellschaft: viele Paare, einige Gruppen und – anders als im Schauspiel, wo ich mich öfter auch mal alleine einfinde, ohne aufzufallen – kaum Einzelgucker. Zootheaterbesuch scheint ein Gemeinschaftsevent zu sein. Der Altersschnitt ist höher als im Schauspiel, und einige hatten sich richtig fein gemacht. Sogar das eine oder andere Cocktailkleidchen war auszumachen. Ein paar Damen kamen frisch vom Frisör und/oder hatten der Kosmetikindustrie offensichtlich einen ordentlichen Umsatz beschert. Aber es waren auch Jeans mit Löchern, H&M-Designteile und Plastikhandtäschchen mit Louis-Vuitton-Schriftzug auszumachen. Zootheater ist Kultur für alle.

Weil wir mächtig gespannt auf den zweiten Sitzplatz waren und die Vorstellung ohnehin schon in zehn Minuten beginnen würde, gingen wir gleich rein. Ach, eigentlich hätten wir es ja ahnen können. Der telefonisch georderte Platz war in der 8. Reihe ganz außen. Trotzdem schmunzelnd und in Erwartung „wahrer Bühnenkunst“ (so steht es auf der Webseite des Theaters) machten wir es uns auf unseren Einzelsitzen bequem. Neben mir saß ein kräftiger Herr, neben ihm seine ebenso kräftige Begleiterin. Ich platzierte mich mit einem freundlichen: „Guten Abend, ich bin heute Abend ihre Nachbarin“. Sofort mischte sie sich ins gar nicht intendierte Gespräch: „Na, vielleicht sollte ich das gleich mal ändern“. Sollte wohl witzig sein. Als ich leichthin antwortete: „Keine Sorge, ich bin ganz harmlos“, konterte sie mit: „Das sagen sie am Anfang alle.“ Hat wohl schlechte Erfahrungen gemacht, die Lady oder auch einfach nur einen etwas schrägen Humor. Ein Bonbon hat sie mir später trotzdem angeboten. Und nach einem zweiten Blick auf meinen Nachbarn halte ich eventuelle Sorgen ihrerseits auch für recht überflüssig – mal so unter uns gesagt.

Nachdem das Claus-Helmer-Band auf bewährt launige Art mittels eines kleines Hörspiels, bei dem es um die Schande eines Telefonklingelns während der Vorstellung geht, um das Ausschalten der Mobiltelefone gebeten hatte, ging es endlich los. Vorhang auf.

Das Bühnenbild: ein Salon mit stilvoller Tapete, aber quasi ohne Möbel. Alles andere hätte den Herrn Solbach als Philippe in seinem Monster von einem mundgesteuerten Rollstuhl auch arg in die Bredouille gebracht. Um das Ding zu manövrieren, braucht man Platz, und die Dimensionen stecken ja auch schon im Namen des Herstellers: Paravan – die Ähnlichkeit mit dem Wort Caravan ist sicher kein Zufall. Die ersten politisch unkorrekten Scherze und Kalauer über die Tatsache, dass Philippe nur seinen Kopf bewegen kann, waren ja noch ganz unterhaltsam, eben weil politisch inkorrekt, aber das hatte sich schnell überlebt und ging mir bald nur noch auf die Nerven. Die Rolle ist eine echte Herausforderung, weil der Schauspieler, um sich auszudrücken, nur Sprache, Kopf und Mimik hat. Herr Solbach machte davon aber so ausgiebig Gebrauch, dass ich spätestens nach einer halben Stunde gar keine Lust mehr hatte, ihm beim Grimassenschneiden und Extrembetonen zuzugucken und zu hören. Was für ein Unterschied zu der großartigen Darstellung des Philippe im Film. Daran, dass im Boulevard-Theater alles ein bisschen „größer“ und offensichtlicher gespielt wird, bin ich ja mittlerweile gewöhnt, aber dass das auch geht, wenn man auf Mimik und Sprache beschränkt ist, war eine echte (böse) Überraschung.

Der „ziemlich beste Freund“, gespielt von Peter Marton, war erheblich überzeugender, aber auch ihm war seine Rolle als Underdog nicht gerade auf seinen gestählten Leib geschrieben. Woher ich das mit dem „gestählt“ weiß? Nein, ich nutze hier nicht etwa irgendwelche Insiderinformationen. Als er irgendwann auf der Bühne sein T-Shirt lupfte, kam ein beachtlicher Six- bzw. Eight-Pack zum Vorschein. Weil diese Demonstration dramaturgisch nicht nötig gewesen wäre, frage ich mich zugegebenermaßen boshaft und mit einer gehörigen Portion „Neid der Besitzlosen“, ob er sich wohl hat vertraglich zusichern lassen, das Ergebnis seines sicher harten Trainings präsentieren zu dürfen, oder ob das eine Idee der Regisseurin war. Nein, ganz im Ernst, er hat die Rolle gut gespielt. Auch die übrigen Darsteller haben ihre Sache gut gemacht, darunter Kerstin Gähte als Magalie, was aber angesichts der Dominanz der beiden sehr großen Hauptrollen nicht wirklich ins Gewicht fällt. Die „Freunde“ bestimmen das Stück, und wenn einer der beiden nicht überzeugen kann, können die anderen das nicht herausreißen.

Trotzdem ging die Zeit bis zur Pause recht schnell vorbei und ja, ich habe auch ein paar Mal gelacht, vor allem in der ersten Viertelstunde. Im 2. Teil tauschten wir die Plätze. Ich landete wieder neben einem Paar, dessen weiblicher Teil mich fragte, wo denn meine „bessere Hälfte“ abgeblieben sei? Fragt man das so? Noch bevor ich darüber nachdenken konnte, was und wie ausführlich ich ihr antworten soll, ging es weiter, aber andere Regungen als ein paar müde Schmunzler konnte mir die Inszenierung im 2. Teil nicht entlocken.

Insgesamt war ich einfach zu enttäuscht darüber, wie sehr die Bühnenfassung und ihre Umsetzung gegenüber dem Film abfielen. Nebenfiguren tauchten unnötigerweise kurz und unmotiviert auf oder wurden nur am Rande erwähnt. Beispielsweise war nach einer Stunde unvermittelt die Rede von Philippes Tochter, von deren Existenz man bis dahin gar nichts wusste. Über die sieben Fehlgeburten seiner verstorbenen Frau war vorher wohl gesprochen worden, von einer lebenden Tochter nicht. Die größte Schwäche der Inszenierung war aber, dass man sich nicht getraut hat, ernste und traurige Momente zuzulassen, die diesen Stoff ausmachen. Alles wirkte aufgesetzt komisch, pseudo-leicht, war bewusst flach gehalten und auf Biegen und Brechen auf lustig getrimmt. Vom feinen Witz der Vorlage keine Spur. Das ist sehr schade und wäre anders möglich gewesen. Und ganz nebenbei hätte irgendjemand Herrn Solbach mal sagen sollen, dass seine kleine Showeinlage beim Applaus (ein pantomimisches „Huch, ich kann ja Arme und Beine bewegen … und sogar aufstehen … na so was“) einfach nur albern war.

Vielleicht hat es die Theaterleitung nicht gewagt, ihrem sicher eher an Komödien gewöhnten Publikum eine andere Art von Humor anzubieten. Aber wenn man dieses Risiko nicht eingehen will, ist es besser, sich auf einschlägige Stücke zu beschränken, als einen tragikomischen Stoff seiner Tragik zu berauben.

Das Zootheater will „die Sinne beleben, zum Nachdenken und Amüsieren verführen“. So steht es auf der Webseite. Das mit dem Amüsieren gelingt hier oft und das mit dem Nachdenken zumindest manchmal. Bei „Ziemlich beste Freunde“ hat beides nicht funktioniert.

Das späte Essen im Leo d’Oro war übrigens sehr lecker.

Neulich auf der Konstabler

13 Dienstag Jan 2015

Posted by anette quentel in Beobachtungen, Konstabler Wache, People & Places

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Anette Quentel, Blog, Konstabler

Samstag, 10. Januar 2014. Es ist noch Winter, aber das Wetter fühlt sich an wie Frühling: 12°C, ein warmer Wind, Sonne-Wolken-Mix. Was also spricht dagegen, heute der eigentlich den Monaten März bis Oktober vorbehaltenen lieben Gewohnheit des samstäglichen Weinchens nach dem Einkauf auf dem Konstabler Markt nachzugehen? Nichts! Also stehe ich nach dem Kauf tierpolitisch völlig korrekter Beine von ehemals glücklichen, aber heute trotzdem toten Maishähnchen in zweiter Reihe am großen Weinstand – dem mit den guten Rieslingen. Offensichtlich und wenig überraschend bin ich nicht die einzige, der es warm genug ist, um im Freien Wein zu trinken.
Mein Lieblingsriesling (Kalkstein) ist aus, aber es gibt eine Alternative: Kalkmergel – ok, den nehme ich. Mit meinen Hähnchenbeinen in der einen Hand, dem großzügig eingeschenkten Glas in der anderen, einem etwas überdimensionierten Blumenstrauß unter dem Arm und meiner ebenso überdi-mensionierten Handtasche über der Schulter (man weiß ja nie, was man auf der Reise durch die City so alles braucht) kämpfe ich mir einen Pfad durch jene, die schon früher auf die Idee gekommen sind, hier Halt zu machen.
Gefühlte 27 „‘tschuldigungs“ später habe ich ein freies Plätzchen an einem der Stehtische gefunden und richte mich erst Mal ein: Die Geflügelbeine versenke ich in der Handtasche, diese unter dem Tisch, der Blumenstrauß wird obendrauf platziert, wo er auch gleich die Aufmerksamkeit eines jungen Mannes auf sich zieht, der die Unversehrtheit seines Prosecco-Glases gefährdet sieht. Als er merkt, dass ich beim ersten Wein bin, also meine Feinmotorik noch einwandfrei funktioniert, ist er beruhigt und wendet sich wieder seinem Freund zu, um diesen erstmal intensiv zu küssen. Ich wende mich diskret ab und meinen Nachbarn zu, einem jungen Paar, das über zwei Apfelweinen über die Pegida redet.
Sie beunruhige das nicht besonders, meint sie lieb lächelnd, das sei doch eine Randgruppe, die bald wieder verschwände. Er ist eindeutig anderer Meinung, beschließt aber, das jetzt nicht auszudisku-tieren. Wahrscheinlich fürchtet er um den Wochenendfrieden. Ich werfe ihm einen mütterlich-verständnisvollen Blick zu, auf den er mit einem fast unmerklichen Schulterzucken reagiert, und beäuge die anderen Leute am Tisch – ich habe einen der beiden großen erwischt, an dem mit etwas gutem Willen gut zwölf Personen ein Stehplatz finden. Als erstes bleibe ich an einer Dreiergruppe hängen: ein Paar, etwa Mitte dreißig, begleitet von einem Mann, etwa vierzig, der, während er sich mit seinen Freunden unterhält, durch die Gegend guckt. Wartet er auf jemanden oder ist er auf der Suche nach Blickkontakt? Aus reiner Neugier teste ich das mal und lächle ihn an. Er lächelt zurück und berichtet kurz später, sich immer wieder vergewissernd, dass ich auch wirklich zuhöre von seiner Morgentoilette. Er habe sich heute Morgen die Haare gekappt und ihn die Abschnitte würden ihn jetzt noch überall kitzeln. Will ich das wissen? Nicht wirklich. Ich versuche, meine Mimik unter Kontrolle zu halten. Der Mann hat eine ausgeprägte Stirnglatze, der klägliche Rest auf seinem Kopf ist auf 2mm herunterrasiert (offenbar das Ergebnis des morgendlichen Verschönerungsversuchs). Die Bemerkung, dass andere Menschen mit dünnen Haaren viel Geld für „Schütthaar“ ausgäben, verkneife ich mir. Ich glaube, ich will mich heute nicht unterhalten, nur gucken und lauschen.
Unterdessen dringt das laute Organ einer stark geschminkten Frau mit Prada-Brille, falschem Nerz und sehr großen Ringen an den Händen (irgendetwas zwischen Mitte Fünfzig und Mitte Sechzig) zu mir durch. Sie steht mir gegenüber, offenbar mit ihrem Mann/Partner, einem befreundete Paar und ihrer Mutter (Familienähnlichkeit). Und sie ist so laut, weil Mom schwer hört. Ihr Partner wirkt ein bisschen gequält, die Freunde betont freundlich. Entweder war Mom heute nicht eingeplant, oder die bunte Dame nervt. Sie plappert von französischem Champagner, der kaum besser sei als der Prosecco hier (na ja …) sowie davon, dass es ja in 14 Tagen endlich in den Urlaub geht und setzt dazu an, von Sylvester zu berichten …blah-blah-blah. Ich blende sie aus und will weiterschauen, als sich eine kleine mollige Frau in einem noch molliger machenden Parka in die winzige Lücke zwischen dem Männerpaar und mir quetscht. Gezwungenermaßen, weil ihrem halbgegessenen Steakbrötchen ausweichend, wende ich mich ihr zu. Anders als ich hat sie offenbar große Lust, sich zu unterhalten und ich jetzt keine Chance mehr, ihr zu entgehen. „Wenisch Stände heut hier, net? Aber irgendwann müsse die ja au‘ mal Urlaub mache – die liesche bestimmt auf Hawaii am Strand und gebbe des viele Geld aus, des sie bei deene horrende Preise hier verdiene … also isch kaufe ja nett immer nur Bio, is alles viel zu deuer, aber neulisch, da hab ich ma Gadoffeln gekauft mit noch Erde dran, die habbe viel länger gehalte als die vom Supeemarkt … Isch bin mit meinem Sohn hier, der geht so gerne auf Mäkte – ei, wo ist der eichentlisch ….ach da isser ja.“ Ein hochgewachsener Mann schlendert auf uns zu, der irgendwie nordafrikanisch und wenig begeistert aussieht. „Hast Du was zum Esse gefunne, Schatz?“ fragt sie. „Ach, denn schau doch einfach noch ma. Des Steak is heut nett so gut, zu dünn geschnitte, die spare aber auch an allem.“ Der junge Mann verzieht sich. „Ja, also diese Gadoffeln, die wa‘n werklisch doll. Ach wissen Se, isch komm‘ ja net mehr so oft her, seitdem das isch in Dreieich wohn, aber die Mieten hier kann sisch ja auch keins mehr leisten …“ Irgendetwas in mir kann das Verschwinden des Herrn Sohn sehr gut nachvollziehen und ist neidisch auf ihn. Ich bleibe höflich, bin aber mächtig erleichtert, als sie nach zehn Minuten mit ihrem inzwischen wieder aufgetauchten Spross abzieht, wahrscheinlich in den nächsten „Supeemarkt“.
Als ich mich dem nächsten Grüppchen zuwenden will, trifft mein Blick den eines Mannes mit Hund und Helmut-Schmidt-Mütze, Alter zwischen 55 und 60 (Mann, nicht Mütze!), der mir bedeutet, ich solle lächeln. Was will der denn jetzt? Soll mich bloß in Ruhe lassen. Als ich die stumme und reichlich plumpe Kontaktaufnahme mit einem abschätzenden Grinsen quittiere, prostet er mir zu und wendet sich dann wieder seiner Töle und seinen drei Gesprächspartnern zu. Das war einfach.
Plötzlich fühle ich mich beobachtet. Ich folge dem Gefühl und entdecke am Nebentisch einen älteren Herrn in Lodenmantel und passendem Hut. Er steht mit ungerührter Miene da, vor sich einen Weißwein, und beguckt sich die Menschen – die männliche Ausgabe meiner selbst. Sofort lässt er den Blick weiterschweifen. Ich habe natürlich nicht das geringste Bedürfnis, ihn stumm zum Lächeln auf-zufordern, muss aber selbst schmunzeln, weil ich mich irgendwie ertappt fühle. Mittlerweile ist auch mein Glas leer. Weil mich ein zweites überfordern würde, packe ich meine Schätze zusammen und bahne mir den Weg zurück an die Theke, um das Leergut abzugeben. Schon meine Mom hat immer gesagt, man solle nicht andere Leute hinter sich herräumen lassen. Dabei komme ich an dem Mann mit Hund vorbei. Er raunt mir zu: „Ich hoffe, Sie kommen bald mal wieder“. Ob dieser Direktheit fallen mir als Reaktion nur ein spöttisches „Ja, sicher“, gefolgt von einem ungläubigen Kopfschütteln ein.
Für den heutigen Tag habe ich genug Menschen beguckt und belauscht. Ich ziehe mich zurück an den heimischen PC. Diese dreiviertel Stunde bietet ausreichend Stoff für einen Blogbeitrag.

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