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Schon mal gesagt oder gehört? Ich auch – sowohl als auch. „Gute Freunde bleiben“ … das klingt zunächst mal so, als würde sich gar nichts ändern. Und dennoch ist, sobald dieser Satz fällt, absolut nichts mehr wie es war. Er ist der Schlussakkord einer Liebe, die einer der beiden Beteiligten bis dato noch nicht als beendet betrachtet hat.
Warum sagen wir das dann? Weil es das Gewissen beruhigt? Ja, vielleicht auch das. Wer geht, weiß, dass er dem anderen wehtut, ob dieser das nun zeigt oder nicht. Das Freundschaftsangebot soll dem Abschied die Härte nehmen, die persönliche Verstauchung kühlen.
Ich wollte meine „Jungs“ immer wissen lassen, dass sie mir keineswegs egal waren, nur weil mir die Liebe abhandengekommen war, und dass sie nichts falsch gemacht haben. Sie waren immer noch die, in die ich mich irgendwann mal verliebt hatte, eben nur nicht mehr der richtige Partner für mich. Zudem war ich nie ein Fan von „Rosenkriegen“ (außer im Kino). Deshalb war mein „Lass uns Freunde bleiben“ auch Friedenszusicherung und Bitte um ein stressfreies Auseinandergehen. Mir stand weder der Sinn nach einer Diskussion der Schuldfrage noch nach dem Streit um den Toaster. Und ich wollte auch, dass sie an meinem Verhalten und meinem Umgang mit ihnen merken, dass es keine Hoffnung mehr gab. Bislang hat das immer funktioniert. Das ist aber vor allem den tollen Männern zu verdanken, die mein Angebot angenommen haben.
Das Freundschaftsangebot auszusprechen oder anzunehmen hat aber auch einen ganz praktischen Vorteil. Ich habe damit Lücken geschlossen, die jede Trennung reißt. Mit wem hätte ich denn Tennis spielen, Schränke aufbauen oder Theater/Kino/Oper besuchen sollen? Egoistisch? Nein, „win-win“, denn mit wem hätten denn die Jungs nach meiner Kündigung Tennis spielen, Schränke aufbauen oder Theater/Kino/Oper besuchen sollen?
Früher oder später haben wir natürlich alle jemand anderen gefunden, mit dem wir all dies (und vieles mehr) tun konnten. Und das ist gut so. Denn „Lass uns Freunde bleiben“ hieß für mich auch „Lass uns auf die sanfte Art auseinandergehen.“
Hinterfragt habe ich das erstmals, als ich selbst irgendwann das Angebot eines Übergans von der Liebe zur Freundschaft erhielt. Aus Sicht der Verlassenen, fühlte sich das plötzlich ganz anders an – degradiert und verschmäht. „Der spinnt ja wohl!“ so meine spontane Reaktion. Der Mann kann doch nicht ernsthaft glauben, dass ich ihm bei einer Pizza Geschichten aus meinem tristen Single-Leben erzähle, das er mir unfreundlicherweise beschert hat. Und er wird doch nicht etwa erwarten, dass ich ihn bei der Einrichtung seiner neuen Wohnung berate oder mir womöglich lächelnd anhöre, mit welch einer tollen Frau er dort einziehen wird – während ich in Einsamkeit meine Wunden lecke und ihn eigentlich nur zurückhaben will. „Warum sagt er sowas?“, habe ich mich gefragt. Um mich zu ärgern? Sicher nicht! Aus Mitleid? Nein danke! Gibt es noch Hoffnung? Quatsch, versteig Dich nicht in Illusionen!
Kurz und gut: Ich habe seine Hand ausgeschlagen und auf jeglichen persönlichen Kontakt verzichtet. Er hat ab und an angerufen, mir noch ein paar Mails geschrieben. Ich habe sie sehr kontrolliert und immer fröhlich beantwortet – bloß nicht zeigen, wie schlecht es mir geht. Die Nachrichten wurden immer seltener, enthielten immer belangloseres Zeug und irgendwann war Funkstille. Unterdessen war mein Leben voller Lücken, und häufig habe ich mich dabei ertappt, darüber nachzudenken, was er wohl tut, wie es ihm geht, wo er gerade ist, wen er trifft… Ich habe mich nächtelang in Spekulationen verstiegen, leise weinend und laut greinend nach Gründen für die Trennung gesucht, darüber nachgegrübelt, ob es doch noch Hoffnung gegeben hätte, mit mir selbst die Schuldfrage diskutiert, meinen Toaster an die Wand geworfen, abwechselnd ihn und mich gehasst, und mir Fragen gestellt, die nur er hätte beantworten können.
Erst als sich der erste Grind auf meinen Wunden gebildet hat und die blauen Flecken auf der Seele allmählich gelb wurden, ist mir bewusst geworden, dass er genau das gleiche getan hat, wie ich in früheren Fällen – und damit wahrscheinlich auch genau das gleiche wollte: Auf die sanfte Art auseinandergehen.
Noch heute tut es mir leid, uns diese Chance vermasselt zu haben, und ich bin seitdem umso fester davon überzeugt, dass ein „Lass uns Freunde bleiben“ der richtige Weg ist, voneinander Abschied zu nehmen.
*Song von Mick Hucknall auf der LP „American Soul“