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Kategorien-Archiv: Marseille

Fünf Wochen Marseille – ein Experiment (II)

07 Donnerstag Jan 2016

Posted by anette quentel in Marseille, Reisen

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Schlagwörter

Blog, Marseille, Quentel

TEIL 2

Das erste Wochenende

Habe am Wochenende dann doch ein bisschen gearbeitet, obwohl das nicht der Plan war. Am liebsten wäre ich einfach nur hier geblieben und hätte aufs Wasser geguckt und mit den Möwen geredet, aber dann trieb es mich doch in die City, die nur 2 oder 3 Kilometer von meinem Viertel entfernt ist. Ich brauchte Lebensmittel (der Supermarkt hier hatte Inventur), Zigaretten, ein Messer, das schneidet, und ich wollte zwei blauen Tischdecken kaufen. Die orangefarbenen Dinger, die hier in dem ansonsten ganz in blau-weiß eingerichtet Häusi herumliegen, störten mein Farbempfinden. Außerdem wollte ich nach diesem Fischmarkt am alten Hafen schauen, an den ich mich von meinem letzten Marseille-Besuch erinnerte. Schon nach zehn Minuten stand ich im Stau. Derzeit wird eine schicke Promenade am alten Hafen gebaut. Das bedeutet eine Riesenbaustelle und nur noch eine Fahrspur – und am Samstagnachmittag wollen offenbar alle in die Stadt, genauso wie in Frankfurt halt. Umkehren ging auch nicht, weil Einbahnstraße… also Stopp-and-Go-te ich mich eine halbe Stunde bis zu einem Parkhaus am Hafen, dessen Fußgängerausgang auf einem anderen Platz lag als die Einfahrt. Ich merkte mir irgendein Museum zur Orientierung und zog einfach los. Irgendwo dahinten musste der Stadtkern sein …

… irgendwo schon, aber nicht da, wo ich hinging. Nach einer Weile fand ich mich in einer Wohngegend wieder, die in eine andere Wohngegend überging. Ja klar, ich hätte meine SCOUTeuse zu Rate ziehen können (mittlerweile funktionierte auch das Handy wieder – war diesmal nur ein Bedienungsfehler gewesen), aber im Grunde genommen gefiel mir das orientierungslose Herumlaufen. Ich atmete die Stimmung der Stadt und lernte so das tunesisch/marokkanisch/algerische, das türkische und das jüdische Viertel kennen. Mit SCOUT wäre mir das alles entgangen. Als ich genug hatte, suchte ich dann aber doch mit elektronischer Unterstützung den Weg zurück ins Zentrum, fand einen Carrefour und ein Tabakgeschäft, wo meine Zigaretten 7,50 Euro kosteten. Gut, dass ich nur auf dem Balkon und damit erheblich weniger rauche als in Deutschland. Einem Laden für Tischdecken bin ich nicht begegnet, aber man kann nicht alles haben. Im Carrefour hat ein kleiner Junge versucht, mir eine Hautcreme aus der Tüte zu klauen, die ich vorher in der Galerie Lafayette erstanden hatte – sehr befremdlich, zumal seine Mutter nicht etwa entsetzt war, sondern nur sehr cool meinte, er solle das doch bitte lassen. Nach dem anstrengenden Einkauf genehmigte ich mir in einem Straßencafé noch einen Pastis, gab mit 80 Cent offenbar zu viel Trinkgeld (die Kellnerin hat mich zwei Mal gefragt, ob ich das ernst meine) und machte mich dann auf den Heimweg. Der war bedeutend schneller erledigt als die Hinfahrt am Nachmittag, und ich war froh, wieder allein daheim zu sein. Im Moment brauche ich weder Trubel noch Menschen. Das Meer, der Himmel, die Möwen und ich sind mir genug.

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Die erste volle Woche

Der Schreibtisch war voll! … eigentlich zu voll, aber das war nicht zu ändern. Und drei Tage lang war es kalt … und windig … und wolkig … und wellig. Am Mittwoch saß ich mit zwei Strickjacken und Wollstulpen an Händen und Füßen vor dem einzigen Elektroheizkörper am Schreibtisch, und meine Nächte habe ich auf der Schlafcouch im Wohnzimmer verbracht. Erstens ist es hier oben wärmer und zweitens kann ich so beim Aufwachen den Himmel und das Meer sehen.

Die Waschmaschine funktioniert, meine Duschkopf-Stützkonstruktion hält. Das Badezimmer teile ich mit einer Kakerlake, vor denen ich mich aber noch nie geekelt habe. Weil sie sich nicht fangen ließ, habe ich friedliche Koexistenz beschlossen und sie angesichts ihrer veritablen Größe eines Namens für würdig befunden: Gregor. Ja, ich weiß, nicht besonders originell, aber passend, und ich mag Kafka.

Ich habe Antwort vom Siemens-Kundendienst: eine Gebrauchsanleitung in PDF-Format – sehr gut. Die orangefarbenen Tischdecken stören mich immer noch.

Das Haus habe ich nur zum Lebensmitteleinkauf verlassen und täglich 10 bis 12 Stunden am PC gesessen, unterbrochen von kleineren Pausen auf dem Balkon, der nachmittags ab etwa 15 Uhr in der Sonne liegt (wenn sie denn scheint). Dann kann ich im T-Shirt draußen sein (theoretisch auch ohne), und auch der Wohnraum heizt sich durch die große Fensterfront auf. Diese Wärme hält sich dann bis zum nächsten Morgen im Haus. Am Vormittag ist es immer kühl. Telefoniert habe ich quasi nur geschäftlich, leibhaftig gesprochen nur mit den Angestellten in den Läden, 5 Minuten mit einem der Nachbarn und am Donnerstag mit Celine, die zum Putzen kam – in High Heels, kleinem schwarzen Kleidchen und Lederjäckchen, dezent geschminkt, mit Fußkettchen am Knöchel und viel französischem Charme. (Zum Putzen hat sie sich aber umgezogen …) Ich kam mir ziemlich „basic“ vor in meinem Riesenpulli + Strickjacke über irgendwelchen Hosen + Wollsocken, ergänzt um die Stulpen und einen Schal, ungeschminkt und mit achtlos zusammengebunden Haaren. Im Vergleich zu mir wirkte sie irgendwie lebendig – eine seltsame Erkenntnis.

Ich bin gern allein. Der ganze Trubel daheim ist weit weg. Meine Kontakte nach Frankfurt beschränken sich auf den Austausch von Kurznachrichten mit einem Freund und dem Empfang ein paar privater E-Mails, die ich nur kurz beantworte. Auch seltsam. Eigentlich schreibe ich sonst immer ganze Romane. Ich arbeite so vor mich hin, lebe meinen eigenen Rhythmus, koche und esse, wenn ich Hunger habe, schlafe, wenn ich müde bin, trinke kaum Alkohol, rauche weniger. Aber ich bin fast durchgängig bei Facebook eingeloggt. Die Plattform ist zurzeit meine Verbindung zur Welt, so lächerlich das auch klingen mag. Ich poste zwar selbst fast nichts blättere aber in meinem News-Stream, nehme so passiv am Leben meiner FB-Freunde teil und markiere mit einem „Gefällt mir“, was mir gerade so gefällt. Mal lustige Dinge, mal schlaue Sprüche, mal Posts von befreundeten Theatergruppen … Ich merke aber auch, dass ich allmählich das Interesse an Bildchen, Sinnsprüchen, sozialverantwortlichen und politischen Statements verliere. Auch die Weltpolitik interessiert mich zurzeit nicht sonderlich. Meinen Info-Bedarf decke ich mit den Schlagzeilen der Google-News. Ich lese keine Tageszeitung- oder Wochenzeitschriften (allenfalls mal eine Kolumne), noch nicht mal den Spiegel und lösche die Branchen- und Frankfurt-E-Mail-Newsletter ungeöffnet. Am Abend zappe ich kurz durch die französischen TV-Programme, und ich habe mir über‘s Internet den Tatort angesehen. Ich werde mit jedem Tag ruhiger, und die Gedankenspiralen entwirren sich, werden zu trägen Flüssen. Ich finde die Ruhe für eine Bestandsaufnahme meiner „Baustellen“ und der vielen „Hochzeiten“, auf denen ich tanze.

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Das zweite Wochenende.

Der Kühlschrank war leer, und die orangefarbenen Tischdecken nervten allmählich wirklich. Zudem befürchtete ich, dass die Farbpatrone meines Druckers nicht bis zum Ende meines Aufenthalts hier durchhält. Das Ladegerät für die Akkus der PC-Maus liegt auch in Frankfurt. Dabei würde es jetzt hier gebraucht…. Ich musste also in die City oder zumindest mal in irgendein Einkaufszentrum mit Elektronikmarkt. Ich entschied mich für ein modernes Shopping-Center am neuen Hafen, den ich mir ohnehin mal ansehen wollte und für eine elektronische Wegweisung, die wunderbar funktionierte, weil mich das Programm um den Stau am alten Hafen herumführte. Nach einer Viertelstunde war ich am Ziel, fand auch einen Parkplatz in der x-stöckigen Tiefgarage, dessen Nummer ich mir sicherheitshalber notiert habe, bevor ich mich ins Gewühl stürzte. Toll an französischen Tiefgaragen sind die farbigen Lämpchen an der Decke (rot/grün/blau). So erkennt man mit einem Blick in eine Parkreihe, ob ein Platz frei ist oder nicht und sitzt nicht irgendeinem Smart oder Fiat 500 auf, deren Hecks man nie sieht. Blau steht übrigens für Behindertenparkplatz.

Das Einkaufszentrum war wie in Deutschland und eigentlich überall in Europa, nur die französische Fassung des Mediamarkts war schlechter sortiert. Ein Akkuladegerät war zwar aufzutreiben, Patronen für meinen Drucker leider nicht. Aber es gab einen Einrichtungsladen mit blauen Tischdecken. Wunderbar! Nachdem ich auch noch ein molliges Strickjackenmonster und ein Paar ziemlich hässliche aber wärmende Socken erstanden hatte (wer weiß, wann mich der Mistral wieder überfällt), warf ich noch einen Blick auf den Hafen selbst (unspektakulär) und freute mich über die gut ausgestattete Lebensmittelabteilung des Monoprix, wo ich dann gleich mal 50 Euro für lauter leckere Sachen gelassen habe, bevor ich mich wieder auf den Rückweg machte. Der gestaltete sich allerdings schwierig.

Die Ausfahrt aus der Tiefgarage war die erste Hürde. Ich muss den Bezahlautomaten übersehen haben, entdeckte aber dann, dass die Fahrer der ausfahrenden Autos Banking-Karten in den Händen hielten. Ich fragte eine junge Frau durch ihr heruntergekurbeltes Fenster, ob man tatsächlich an der Ausfahrt zahlen könne. Sie meinte, das ginge problemlos mit EC-Karte. Erst nach einer halben Stunde war ich am Ausgang (offenbar wollten jetzt alle Shopping-Center-Besucher nach Hause), um festzustellen, dass der Automat meine Karte nicht akzeptierte. Dunkel erinnerte ich mich an die Tankstellen an der Autobahn. Der freundliche junge Mann an der Schranke bestätigte mir meinen Verdacht. So erlebte ich dann mal das Gefühl, Verkehrshindernis zu sein: Zurückfahren ging nicht, also musste ich eine der beiden Ausfahrten mit meinem kleinen ausländischen Auto versperren und „händisch“ bei einer mit einem Menschen besetzten Kasse zahlen. Erstaunlich: keiner hat gehupt oder mich mit französischen Flüchen belegt.

Die zweite Hürde war die eigentliche Rückfahrt: Zuerst habe ich versucht, mich auf meinen Orientierungssinn zu verlassen (klappt in der Regel), muss aber an irgendeiner Stelle falsch abgebogen sein, so dass ich mich in einer total verstopften Einbahnstraße wiederfand: gefangen! Ich nutzte die nächste Gelegenheit zum Abbiegen und tastete mich weiter. Ich behielt immer im Kopf, wo die Küste war und dachte, so problemlos zurück zu meiner Eremitage zu finden. Weit gefehlt: Marseille ist die Nummer eins in Sachen Einbahnstraßen. Vielleicht hat dieser Wahnsinn ein System, aber das hat sich mir bis heute nicht erschlossen. Nachdem ich das eine oder andere Wahrzeichen der Stadt 2 bis 3 Mal passiert hatte, hielt ich irgendwo an, um Scout zu befragen: Kein Netz, und ich hatte vergessen, die Frankreichkarte zu kaufen, was mir die Offline-Nutzung ermöglicht hätte. Also fuhr ich weiter, immer mal einen Stopp einlegend, bis ich eine Netzverbindung hatte. Dann war alles ganz einfach. Gelernt habe ich dabei, dass (1) man hier an der Ampel losfahren muss, sobald sie gelb blinkt, um ein Hupkonzert zu vermeiden, (2) man als Fußgänger einfach so die Straße überquert in der berechtigten Hoffnung, schon nicht überfahren zu werden und (3) das Reißverschlusssystem hier super funktioniert. Vielleicht kam mir aber auch mein ausländisches Kennzeichen zu Gute. Nach insgesamt einer guten Stunde Irrfahrt und einer weiteren Viertelstunde Parkplatzsuche war ich endlich wieder in meinem Häusi und brauchte erstmal eine Dosis Meer und Möwen, bevor ich meine Einkäufe verstaute. Der Austausch der Tischdecken war mir ein Fest!

Den Sonntag habe ich wechselweise auf dem Balkon, auf der Couch und in der Küche verbracht – auch mit Blog-Schreiben, denn das strukturiert die Gedanken zusätzlich und verhindert, dass ich diese Zeit hier rückblickend anders wahrnehme, als ich sie jetzt erlebe. Darüber hinaus habe ich einen literarisch recht wertlosen, aber sowohl romantischen als auch spannenden Roman gelesen, und es genossen. Und ich koche jeden Abend: Schreiben und Lesen entspannt und Gemüseschneiden hatte für mich schon immer etwas Meditatives.

Es wird wieder wärmer!

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Die zweite volle Woche.

Ich arbeite immer noch viel und lebe ansonsten zunehmend in meiner eigenen Welt, komme immer weiter runter und zur Ruhe, entferne mich zugleich aber auch allmählich vom „echten“ Leben, trotz Arbeit und dem einen anderen mehr oder weniger geschäftlichen Telefonat.

Seit Dienstag ist es jeden Tag ein bisschen wärmer geworden. Ich war wieder schwimmen, aber ansonsten diese Woche nur zwei Mal vor der Tür, und das auch nur zum Einkaufen und Müll entsorgen. Ich koche nach wie vor jeden Abend. Mein Facebook-Account bleibt immer öfter und immer länger geschlossen. Der anfangs noch regelmäßige Kontakt mit dem Freund besteht auch nicht mehr, aber das ist eine andere Geschichte. Gesprochen habe ich in den letzten Tagen mit kaum jemandem: ein paar Sätze mit einem Handwerker, der die Jalousie in der verwaisten Schlafhöhle repariert hat (verwaist, weil ich beschlossen habe, jeden Tag beim Aufwachen den Himmel sehen zu wollen und deshalb auf der Schlafcouch im Wohnbereich nächtige), „Guten-Tag-Bitte-Danke-Schönen-Abend“ beim Einkaufen und gestern ein kurzes Schwätzchen mit Celine, die hier wieder alles gesaugt, gewischt und die großen Fenster geputzt hat. Das muss man eigentlich fast jede Woche, weil das Meer vor der Tür mit Salz um sich wirft.

Habe „Freiheit“ von Jonathan Franzen gelesen – tolles Buch!

Dadurch, dass es hier so ruhig und ereignislos ist, nehme ich Veränderung in meiner direkten Umgebung stärker wahr. Vormittags mäandern immer ein paar Kormorane vor dem Balkon herum. Erstaunlich, wie schnell diese Dinger unter Wasser schwimmen können. Ihre Fliegerei ist dagegen eher bemitleidenswert. Mittlerweile glaube ich auch, erkennen zu können, in welcher Stimmung sich die Möwen gerade befinden. Sie schreien nicht immer gleich, sondern variieren von „zärtlich“ über „neugierig“ und „ein bisschen beleidigt“ bis hin zu „echt sauer“. Ich habe eine für mich neue Vogelart entdeckt, aber noch nicht näher bestimmt. Sie tönt ein bisschen wie Turmfalken. Nachts läuft manchmal irgendwo unten eine Ratte herum und fiept leise. Die Zikade vom Felsen nebenan ist weitergewandert oder ist das Opfer irgendeiner Nahrungssuche geworden. Mein gepanzerter Mitbewohner Gregor ist noch da, aber wir sehen uns selten. Er ist auch immer ein bisschen pikiert, wenn ich ihn überrasche, und da ich ein diskreter Mensch bin, mache ich jetzt abends immer zuerst das Licht an und warte drei Sekunden, um ihm die Chance zu geben, sich auf seinen Krabbelbeinchen unter den Waschtisch zu verziehen.

Mein Schlaf-Wachrhythmus verändert sich weiter. In den letzten zwei Tagen bin ich schon ganz früh eingeschlafen und war dafür um vier Uhr wach und ausgeruht. Um diese Zeit fallen immer ein paar Sternschnuppen vom Himmel, aber sie sind zu schnell, als dass ich mir etwas wünschen könnte.

Habe Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg von Jonas Jonasson gelesen – sehr lustig.

Ach ja: Jeder Sonnenuntergang ist anders!

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Ich bin noch immer gern allein. Heute ist Halbzeit, Zeit für eine Zwischenbilanz:

  • Eine Weile allein ohne den üblichen Trubel ist gut für die Seele. Das Meer und der Wind ordnen die Gedanken. Vieles relativiert sich.
  • Nicht reden zu müssen, tut gut.
  • Kochen macht mir immer noch Spaß. Habe ich den letzten zwei Jahren selten gemacht, werde ich aber wieder öfter tun. Mir schmeckt das Zeug, das ich koche.
  • Man kann auch ohne Spülmaschine leben, aber mit ist besser 😉
  • Bücher lesen entspannt. Dazu habe ich mir lange keine Zeit mehr genommen. Das wird sich ändern.
  • Keine Abendtermine zu haben, ist wunderbar. Das nimmt den Zeitdruck aus dem ganzen Tag.
  • Man kann frieren und trotzdem braun werden.
  • Ein Leben ohne Waage und Gewichtsstatistik ist prima. Mit der täglichen Wiegerei macht man sich unnötig Stress.
  • Alkohol ist überflüssig, aber ohne Zigaretten geht es aber im Moment nicht.
  • Bettwäsche auf einem wackeligen „Flügeltrocknet-Gestell“ aufzuhängen ist kein Spaß.
  • Wenn ich mal alt bin, will ich am Meer wohnen.

Meine Auszeit tut mir sehr gut. Nach heutigem Stand würde ich es hier noch eine Weile länger aushalten als ein paar Wochen, wenn man das Haus gescheit heizen könnte … Vielleicht sollte ich aber für jedes Jahr eine solche Zeit einplanen – oder mein Leben in Zukunft so gestalten, dass das gar nicht nötig ist: ein paar „Baustellen“ zuschütten und ein paar „Hochzeiten“ absagen.

Die dritte und vierte Woche

Das wird ein kurzes Kapitel. Ich ziehe mich immer weiter zurück, gehe alle zwei/drei Tage nach draußen, wenn der Kühlschrank leer ist, habe quasi nur noch geschäftlich Kontakt nach Deutschland. Die Tage sind gleichförmig und friedlich. Die Welt wird mir zunehmend egaler. Die Arbeit am PC, das Meer, das Wetter, die Möwen und die vorüberziehenden Boote und Fähren sind meine Unterhaltung. Ich schicke meine Gedanken spazieren – und ich lese Bücher.

Habe Aleph und Untreue (beide von Paolo Coehlo) und Der Horizont von Patrick Mondiano verschlungen. Bin in alle drei völlig abgetaucht.

Ich schreibe keine Blogtexte mehr. Es gibt ja auch nichts zu berichten und wenn man nicht gerade Goethe heißt, sind innere Monologe für die Leser meist langweilig. Morgen kommt meine Freundin für zwei Tage. Dann werde ich wieder reden müssen und vor die Tür. Ich freue mich sehr auf sie, bin aber auch gespannt, wie sich das anfühlt. Was ist, wenn ich den Mund nicht aufkriege?

Die letzte Woche

Das waren zwei sehr schöne und wichtige Tage. Wir haben viel geredet; mundfaul war ich allenfalls in der ersten halben Stunde. Und wir haben bei 21°C und strahlendem Sonnenschein ein kleines Touristenprogramm absolviert: Notre Dame de la Garde, in der vor allem die vielen kleinen Ölgemälde an den Wänden auffallen, den alten Hafen (hinter der Baustelle) einschließlich Riesenradfahrt, die Kathedrale, die so aussieht, wie Kathedralen nun mal aussehen, und am zweiten Abend ein Dinner in einem kleinen Hafen bei mir um die Ecke – Bouillabaisse, begleitet von Wein und gefolgt von einem Dessert. Hat uns so viel gekostet wie ein Degustationsmenu in einem 1-Sterne-Restaurant in Frankfurt. Aber egal. Lecker war’s. Am Sonntagmorgen habe ich sie zum Flughafen gefahren und danach den direkten Weg nach Aix-en-Provence eingeschlagen. Dort bin ich nach einem recht schlechten Croissant mit noch schlechterer Konfitüre einfach nur durch die Stadt spaziert und auf Märkten herumgestrolcht und habe alles auf mich wirken lassen.

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Zurück in meiner Eremitage habe ich mich zwei Stunden lang ein bisschen allein gefühlt, aber dann wieder meinen Rhythmus aufgenommen: arbeiten, Meer gucken, lesen, Gedanken spazieren schicken – eine letzte Woche lang.

Habe Die Frauen von T.C. Boyle und Ein ganzes halbes Jahr von Jojo Moyes gelesen.

Die Koffer sind gepackt und alle Entscheidungen getroffen (war am Ende ganz leicht). Morgen geht es zurück. Ein letzter Sonnenuntergang, zugegebenermaßen mit Tränen in den Augen, aber auch mit Riesenfreude auf die Menschen und Dinge, die mir wichtig sind. Wer und was das ist, weiß ich jetzt.

Die Rückreise

Abstecher nach Nîmes zu meiner Großcousine, von der ich bis vor einem halben Jahr gar nicht wusste, dass es sie gibt. Aber es gibt sie – und sie ist bombennett. Nach einem formidablen Bœuf Bourguignon und anderen französischen Köstlichkeiten mache ich mich auf den Weg gen Nordwesten. Das Tanken erledige ich mittlerweile sehr souverän, halte wie selbstverständlich die Geschwindigkeitsvorgaben ein und bemerke die Dauerblinker kaum noch. Ich lasse die letzten Wochen Revue passieren, im Radio läuft Musik des Sohnes meiner Großcousine, der Mitglied einer Band namens Fysh ist: Metal, aber mit erkennbaren Melodien. Die Fahrtroute habe ich ausgedruckt, falls meine SCOUTeuse mal wieder eine Auszeit nehmen sollte … genau das tut sie auch. Und ich bin so in Gedanken, dass ich Basel mit Genf verwechsle und prompt auf der falschen Autobahn lande. Vor irgendeinem nahenden Autobahnkreuz halte ich auf dem Standstreifen, um mich zu orientieren. Ja, ich weiß schon, dass das verboten ist, aber was sollte ich denn machen … Wie sich herausstellt, bin ich völlig falsch und habe mir mit meiner Gedankenduselei einen Umweg von 150 Kilometern eingebrockt. Jetzt passe ich besser auf und komme tatsächlich ohne weitere Fehlfahrten in Besançon an, wo ich in einem Motel die Nacht verbringen will.

Der Portier ist noch da, aber das Restaurant geschlossen, und ich habe Hunger! Also wieder ins Auto und rein in die „City“, wo ich mich in einer Straße wiederfinde, die ein bisschen an die hintere Zeil erinnert. Es gibt diverse Imbisse und einen Pizza-Hut-Takeaway. Ok, so hungrig bin ich dann vielleicht doch nicht. Kurz bevor ich aufgeben will, stoße ich auf einen kleinen Italiener: ganz einfach eingerichtet, aber mit einem Holzofen und fast vollbesetztem Gastraum. Nach der üblichen blöden Frage „Table à deux?“ – sehen die eigentlich alle doppelt? Ich bin allein! – bekomme ich einen der letzten Tische. Der Wein ist so „na ja“, aber die Spaghetti Arrabiata sind sensationell. Ich gönne mir noch ein hausgemachtes Tiramisu, das locker für eine sechsköpfige Familie gereicht hätte und so viele Kalorien hat wie zwei Portionen Currywurst mit Pommes weiß. Weil mir das aber gerade sehr egal ist (hatte ja wochenlang keine Waage und habe keine Ahnung, welchen Schaden das regelmäßige Essen in Marseille angerichtet hat), verputze ich das ganze Dessert, rolle mich zurück in meinen Kleinwagen und falle eine halbe Stunde später auf meine Motel-Schlafstatt. Nach dem morgendlichen Auschecken und einem klassischen Motel-Frühstück geht es zurück auf die (richtige!) Autobahn und weiter gen Frankfurt.

Fazit (ein paar Wochen später)

Es war eine gute und wichtige Zeit, aber sie hat mich stärker aus dem Alltag geworfen als ich vorher vermutet hätte. Die Wiedereingewöhnung ist mir schwergefallen. Nachdem ich von der Überholspur direkt auf die Standspur gewechselt hatte, konnte ich mich nicht wieder zum Einfädeln entschließen. In der ersten Zeit habe ich mich so gut es ging zuhause verkrochen, das Haus fast nur verlassen, um ins Büro zu gehen. Ich glaube, ich habe versucht, mein „Marseille-Gefühl“ zu verlängern. Ganz allmählich habe ich aber wieder Fahrt aufgenommen, zunächst auf der Kriechspur, später im Normaltempo. Auf die Überholspur will ich nicht zurück. Muss ich auch nicht J

Würde ich es wieder tun? Ja! Innezuhalten, sich mal rauszuziehen aus allem, um an einem anderen Ort, vor allem am Meer, zu leben und zu arbeiten, ist wunderbar. Es klärt die Gedanken, relativiert Vieles und ohne Druck fallen Entscheidungen von allein. Man muss sie nicht gewaltsam fällen.

PS: Meine Waage zuhause hat ein Machtwort gesprochen. Die drei Kilo, die ich dank der regelmäßigen Zufuhr leckerer, aber kalorienreicher Mahlzeiten zugelegt habe, werden gerade entschieden abgebaut.

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Fünf Wochen Marseille – ein Experiment

31 Samstag Okt 2015

Posted by anette quentel in Marseille, Reisen

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Anette Quentel, Blog, Marseille

TEIL 1
Warum ich bin, wo ich bin

Die Sonne geht unter – quietschpink und rotfeuerlich. Unter mir grummelt und ploppt das Meer, in den nahen Felsen wohnt eine Zikade, neben mir momentan zwei Männer im „besten Alter“, die Opernarien hören.

Ich bin allein – weil ich das so wollte, allein in einem Land, dessen Sprache ich nur rudimentär beherrsche, an einem Ort, der mir das Gefühl vermittelt, auf dem Meer zu leben. Und heute, am fünften von 32 Tagen, bin ich mir sicher, dass es eine gute Entscheidung war, hierherzukommen.

Im Mai, als mir nach eineinhalb sehr turbulenten Jahren das Leben und mein Gefühlschaos in fieser Kumpanei endgültig über den Kopf zu wachsen drohten, habe ich kurzentschlossen diese Fischerhütte gebucht direkt am Meer. Overworked, underloved, underslept und underfed. Gefangen in (zugegebenermaßen größtenteils selbstauferlegten) Pflichten und immer unterwegs zu irgendeinem Termin oder Event wollte ich nur noch weg – von allem und allen. Ich erinnerte mich an das Buch „Das große Los“ der Journalistin Meike Winnemuth, die nach einem Millionengewinn bei Günter Jauch ein Jahr lang jeweils einen Monat lang in einer anderen Stadt auf dieser Welt gewohnt hatte. Diese Idee hatte mich nie ganz losgelassen. Einen Millionen-Gewinn habe ich zwar nicht im Rücken, aber weil wir in einer Welt der unendlichen Erreichbarkeit legen, kann ich überall arbeiten. Genug Geld für die Fahrt und ein paar Wochen lang doppelte Miete ist auch da.

Seit der Buchung im Mai hat sich vieles relativiert, geklärt, geändert, auch verbessert, aber ich lebe immer noch auf der Überholspur. Deshalb musste und wollte ich diese Reise machen. Der Gedanke, ein paar Wochen am Meer zu leben, ist einfach nur berückend. Außerdem will ich wissen, wie es sich anfühlt, wirklich allein zu sein, keine Kompromisse eingehen zu müssen und (abgesehen von den Abgabeterminen meiner Projekte) keine Termine zu haben … eine Mischung aus „Mal was anders machen als sonst“ und Selbstversuch: ein Experiment. Ich bin gespannt, was und wer mir wirklich fehlen wird und, um es mal im Psycho-Jargon zu sagen, was das so mit mir macht. Heute ist zwar alles besser als noch vor einem halben Jahr, aber meine alte Gelassenheit und die Fähigkeit, immer alles positiv und mit Humor zu betrachten, haben sich noch nicht vollständig wieder eingestellt. Vielleicht finde sie hier wieder.

  1. Reisetag

Am Vormittag ging‘s los. Mit Vorfreude, aber noch in Abschiedsgedanken machte ich mich auf den Weg. „Du denkst zu viel nach. Das ist nicht gut“, sagt mir ein kluger Mensch immer mal wieder. Dass er Recht hat, zeigt sich schon darin, dass ich in Frankfurt gleich zweimal die richtige Auffahrt verpasst habe und eine halbe Stunde auf den diversen Autobahnen herumgekurvt bin, bevor ich auf der A5 gen Süden war. Bis Lyon wollte ich kommen, dort übernachten und die letzte Etappe am Mittwoch fahren. Auf den Tankstellen in Frankreich habe ich gelernt, dass es Zapfsäulen gibt, die mit Kartenzahlung funktionieren, allerdings weder mit Visa noch mit meiner Sparkassen-Maestro-Karte … an anderen Säulen darf man einfach lostanken und an der Kasse zahlen. Das waren dann meine. Auf den Autobahnen selbst habe ich gelernt, dass Franzosen gerne mal blinken, auch wenn sie nicht die Spur wechseln wollen. Irgendwann habe ich ein Gefühl dafür entwickelt, wann ein Blinken ernst zu nehmen ist und wann nicht. Und wie französische Blitzgeräte aussehen, weiß ich jetzt auch … bin gespannt, ob die mich ausfindig machen. Die Straßen waren fast frei, vor allem die Mautstraßen (ein Luxus, der mich etwa 60 Euro kostete) … na ja, fast frei: Kurz vor Lyon erwarteten mich der Feierabendstau, ein Tunnelbaustellenstau, ein Unfallstau und in der Stadt selbst geriet ich in einen sintflutartigen Regen, der für zehn Minuten alles zum Erliegen brachte. Ich hatte kein Hotel gebucht – wusste ja nicht, ob ich es bis hierher schaffen würde – und fuhr ein bisschen orientierungslos herum. Den Gedanken, über irgendein Portal zu suchen und online zu buchen, musste ich aufgeben: kein Netz, was ich erstmal auf Vodafone schob. Einen Parkplatz in der City vor einem Mercure-Hotel nahm ich dann als Wink des Schicksals und blieb. Die Übernachtung kostete mich ein kleines Vermögen, aber das war dann auch schon egal. Das Hotel-WIFI funktionierte so halb gut, und nachdem ich die aufgelaufenen knapp 100 Mails gescreent und festgestellt hatte, dass keine eine sofortige Aktion erforderte (danke Ralf J), ging es mir sofort besser. Ich fand ein kleines Restaurant in der Nähe und genehmigte mir ein 3-Gänge-Menu mit politisch total inkorrekter Foie Gras, allerdings gefolgt von Bio(!)-Rind und einer sehr unfranzösischen, aber traumhaften Panna Cotta, begleitet von einem Pastis und einem Glas Landwein, das besser war, als der Inhalt so manchen 15-Euro-Fläschchens zuhause. Dass ich nach gut 7 Stunden Autobahn und diesem kulinarischem Abschluss einigermaßen erschöpft um 22 Uhr in die Luxuskissen sank, bedarf sicher keiner Erklärung.

  1. Reisetag

Am Morgen sah die Welt gut aus. Das Auto war noch da, die Rückspiegel noch dran und Knöllchen hatte ich auch keins. So gegen 9 Uhr war ich auf der Bahn. Die Landschaft wurde immer mediterraner und alle halbe Stunde stieg die Temperatur um etwa 1 Grad. Gegen Mittag war ich am Ziel – bei 21 Grad, Sonnenschein, heftigem Wind, aufgewühltem Meer und gut zwei Stunden zu früh. Um drei sollte ich den Schlüssel bekommen. Also saß ich erstmal eine halbe Stunde auf einer Aussichtsplattform direkt neben meiner zukünftige Bleibe herum, las die Geschichte des Chateau d’If und sog das wilde Meer und die Sonne in mich auf, um dann die Gegend zu erkunden, in der ich die nächsten knapp fünf Wochen verbringen sollte. Ich entdeckte einen Bäcker, einen Metzger, ein Blumengeschäft, ein paar Lokale sowie einen kleinen und einen sehr kleinen Supermarkt – alles da was man so braucht! Nach einem Snack war es fast drei; ich also zurück zum Treffpunkt.

Corinne kam, mein Kontakt für die Übergabe: „Hi, I am Corinne, are you … Anette?“ – „Yes“. – “Don’t you have any luggage?” – Of course, but still in the car.” Handshake. „Do you speak French?” – „Pas assez bien, je crois” – „Ok, we do it in English. I show you the house.” Sprach’s und ging auf eine verrostete Gittertür am Ende der Aussichtsplattform zu, die sicher schon die ganze Zeit da, mir aber gar nicht aufgefallen war, bewaffnet mit einem gut bestückten Schlüsselbund. Der rote Schlüssel war für diese Tür, die immer doppelt abgeschlossen sein musste (rot = rostige Tür, kann ich mir merken). Hinter der Tür führten (wie ich mittlerweile gezählt habe) gut 60 ebenso steile wie ungleichmäßige Treppenstufen in die Tiefe. Der runde Schlüssel war für die nächste Tür, die ebenfalls immer zwei Mal abgesperrte werden musste (runder Schlüssel – rundes Schloss, kann ich mir auch merken). Wir standen auf einem etwa 2 Meter breitem Weg: rechts drei Fischerreihenhütten, links, in etwa 5 Meter Tiefe, das Meer. Gleich die erste Haustür war meine. Der schwarze Schlüssel war für die elektrische Jalousie, für deren Betrieb man aber einen Trick anwenden muss (schwarzer Schlüssel plus Trick = graue Jalousie, na, ob ich mir das merken kann?). Der eckige Schlüssel gehörte zur eigentlichen Haustür, die man zwar einfach aufschließen kann, aber deren Verschluss mit einem anderen Trick verbunden ist (eckiger Schlüssel plus Trick ….). Offenbar schaute ich ein bisschen verwirrt … „No problem, you will learn that soon“, sagte sie und entschwand im dunklen Haus. Ich folgte ihr. Was sonst.

Sie führte mich in ein stockdunkles Räumchen. „This is the sleeping room.“ Der Holzladen des Fensters war kaputt und ließ sich nicht an der Hauswand befestigen, so dass sie mir empfahl, ihn immer geschlossen zu halten. Wie jetzt: Ich soll ich in einer Höhle schlafen? No way, dachte ich, sagte aber erst mal nix; den ollen Holzladen würde ich schon in den Griff bekommen. Dann meinte sie, ich solle das Fenster immer gekippt lassen, weil es im Haus ein Feuchtigkeitsproblem gäbe. Ach ja, interessant. Dann zeigte sie mir zwei Wandschränke. Der kleinere in der Schlafhöhle war zu 60% mit Decken und Kissen befüllt. „Here is space for your things“ 40% der Regalfläche sollten also mir gehören. Ok, das dürfte für Kleinkram, Hosen und T-Shirts reichen, dachte ich. Es gab ja noch den großen im Eingangsbereich, den sie aber irgendwie gar nicht erwähnte. Auf meine Frage meinte sie. „Oh, this one is full of things of the owner. Better don’t touch. The doors are broken anyway.” Nö, nö, nö, so ginge das nicht, sagte ich. Ein bisschen widerstrebend öffnete sie sehr vorsichtig den rechten Teil des Schranks, wies mir eine leere Kleiderstange direkt über dem Putzzeug zu und bläute mir nochmals ein, wie fragil das Teil sei und dass ich sehr vorsichtig sein müsste. Ich war’s erstmal zufrieden. Sie sprang die enge Treppe nach oben. Dort sollten das Bad und der Wohn-/Kochbereich sein. Waren sie auch. Auch hier alles dunkel. Sie tastete sich durch den Raum drückte den Jalousienknopf und da war er: der Blick, der mich für alle Seltsamkeiten entschädigen sollte, die ich bisher gesehen und von Corinne gehört hatte. Himmel, Wasser, Sonne, Chateau d’If und ein paar weitere Inseln und Felsen, Möwen, Wellen, Boote … wunderbar! Ich begutachtete den Balkon und stellte fest, dass er eine Flucht mit der Felsenküste bildete und ich gefühlt über dem Meer schwebte (siehe Titelbild). Und weil meine Hütte eine Eckehütte ist, war auch der Blick nach rechts frei. Ja, hier wollte ich bleiben und sein. Nachdem ich mich ausreichend begeistert hatte, zeigte sie mir die Kochecke (Deckenhöhe max. 1,80) und erklärte mir, dass die Spülmaschine nicht funktioniere, wohl aber der Kühlschrank und die beiden Elektroplatten, und dass es eine Mikrowellen-/Ofen-Kombination gäbe. Die Begutachtung des Badezimmers ergab, dass der Waschtisch nebst Regalen neu, aber der Rest so etwa zehn Jahre alt war − und ja, es gab in dem Haus ein Feuchtigkeitsproblem, wie ich unschwer an den Fugen der Dusche erkennen konnte. Außerdem hängt der Duschkopf schlaff in einer ausgeleierten Halterung herum. Um ein fünfwöchiges einhändiges Duschen zu vermeiden, würde ich da wohl was basteln müssen. Der im Internet angekündigte „Wäschetrockner“ ist so ein Flügelteil auf dem Balkon … aber all das konnte mir die Laune nicht verderben. Ich sah nur noch das Panorama und so Sachen wie das witzige Bullauge in der Badezimmerwand, durch das man in den Wohnraum und aufs Meer gucken kann, hörte Wind, Wellen und Möwen …

Ich erfuhr noch, wo die Gebrauchsanleitungen und die Notfallnummern lagen, erhielt mein persönliches Paket Toilettenpapier nebst einer Flasche Kokosduschbad und die Einladung, mich an den Vorräten zu bedienen, die noch vom Vormieter dastanden: Nudeln, Tee, Kaffee, Essig, Öl, etc. Wir tauschten E-Mail-Adressen aus, verabredeten drei Putz- und zwei Handwerkertermine und ich zahlte meine Restmiete plus Kaution. Dazu musste ich ans Auto. Als Corinne erfuhr, dass ich „so viel“ Geld im Auto an der Straße gelassen hatte, fiel sie fast aus allen Wolken. Aber nach drei Türen und dem Hinweis, dass alle mehrfach abgeschlossen werden müssen, hätte ich mir auch gleich denken können, dass die Gegend nicht die sicherste der Welt war. Na, jedenfalls war noch alles da, und nach einem kurzen Schwätzchen, bei dem ich unter anderem erfuhr, dass der Müll einfach unsortiert in irgendeinen der Container am Straßenrand geworfen wird, und nachdem ich noch schnell verifiziert hatte, dass das Wasser lief, die Lampen leuchteten und WIFI funktioniert, war Corinne weg und ich allein in „meinem“ Häuschen. Ich fand einen Aschenbecher und trank einen ersten Kaffee auf dem Balkon. Im Haus soll nicht geraucht werden. Finde ich vernünftig.

Jetzt stand Auto ausräumen auf dem Programm. Wie ich den 22kg-Koffer die Treppen runtergekriegt habe, weiß ich nicht mehr und an den Auszug in knapp fünf Wochen wollte ich gar nicht erst denken. Aber nach 20 Minuten war alles im Haus. Ich inspizierte noch mal den Stauraum, stellte fest, dass der Platz reichte, wenn ich ein bisschen umräumte und goss die bemitleidenswerte Yukka-Palme im Wohnzimmer – erstmal ganz vorsichtig: Verdurstende sollen ja in kleinen Schlucken trinken … Der E-Mail-Check ergab, dass ich heute nix mehr tun musste, aber morgen den Tisch voll haben würde. Fein. Nachdem ich ein paar meiner versprochenen „bin angekommen, alles bestens“ in die Welt geschickt hatte, war es 18 Uhr geworden. Zeit, den vorher entdeckten Einzelhandel zu testen. Ergebnis: Der Verkäufer in der Metzgerei ist Italiener und meint, mein Französisch sei besser als seins, die Kassiererin im Supermarkt ist vor allem mal müde, aber nett und die junge Frau beim Bäcker ist einfach eine junge Frau beim Bäcker. Alle Läden sind gut sortiert. Die Pasteten vom Metzger, der auch eine ordentliche Käseauswahl bietet, und diese Petits Fours aus der Bäckerei werden mein Figurruin sein, wenn ich mich nicht diszipliniere. Ach, ich habe ja noch gar nicht erwähnt, dass es hier keine Waage gibt – und das mir, die seit April 2010 Jahren eine tagesgenaue Gewichtsstatistik führt … Bepackt mit französischen Lebensmitteln kehrte ich in mein Zuhause auf Zeit zurück – sehr zufrieden mit der Welt und mit mir. Die Reparatur des Fensterladens vor der Schlafhöhle verschob ich auf den nächsten Tag. Den Abend verbrachte ich mit einem kalten Dinner (frisches Baguette und diverse Leckereien aus den Fachgeschäften) und damit, durch gefühlte 30 französische Programme zu zappen, um mich aber schnell in meine Dunkelkammer zurückzuziehen und begleitet vom Meeresrauschen einzuschlafen.

Die ersten beiden Tage in der Eremitage

Am Donnerstag und Freitag habe ich vor allem mal gearbeitet – viel gearbeitet. Schließlich war ich zwei Tage im Verzug. Aber alles ging leicht von der Hand, unterbrochen von ein bisschen Facebooken und Buch lesen: The Circle von Eggert. Meine Güte, wann habe ich das letzte Buch gelesen. In den letzten Monaten war ich froh, wenn ich den Spiegel geschafft habe. An ein Buch war nicht zu denken. Aber keine Abendtermine zu haben, bedeutet auch eine andere Zeiteinteilung und Muße, zwischendurch mal eine halbe Stunde Pause zu machen – ein völlig neues Gefühl. Gefällt mir gut.

Schließlich machte ich mich an die diversen Reparaturen: Den Duschkopf habe ich mit einem Streifen Pappe in der Halterung befestigt – geht. Der hölzerne Fensterladen hält jetzt an der Hauswand, nachdem ich ihn mit einer herumliegenden Kombizange festgeklemmt habe: natürliches Licht in der Schlafhöhle! Am Mittwochabend hielt ich den Türknopf vom Badezimmer in der Hand. Das habe nicht wieder hingekriegt, so dass ich ihn nur wieder aufgesteckt habe und jetzt eher nicht betätige. Sollte ich mich aus Versehen im Bad einsperren, hätte ich nämlich ein Problem … Das kombinierte Mikrowellen-/Ofengerät bleibt vorerst ein Rätsel. Als Ofen funktioniert es, als Mikrowelle nicht. Habe einen Hilferuf an den Siemens-Kundendienst mit der Bitte um Zusendung einer Gebrauchsanweisung gemailt … bin sehr gespannt.

Wasser 1

Ich war im Meer schwimmen! Der Weg zum „privaten Meerzugang“ führt durch zwei Tore und über vielleicht 20 Meter unebenes Gelände, das ein bisschen an eine Baustelle erinnert, aber wohl immer so aussieht. Das Wasser war klar und kühl, aber noch warm genug und Neptun ein freundlicher Gastgeber. Abends habe ich für micht alleine gekocht, seit ewigen Zeiten mal wieder. Gefällt mir auch. Wird wieder eingeführt.

Fortsetzung folgt

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