Schlagwörter

, ,

Samstagvormittag: Der Laden ist knallvoll mit Menschen und es kommen immer mehr – so viele, dass die Eingangsklappschranke gar nicht mehr zugeht, was einige dazu bewegt, sie als Ausgang zu nutzen. Das hatte sich der Shopdesigner sicher anders vorgestellt, und hilfreich ist es auch nicht. Ich frage mich, wie dringend ich die Glühbirne wirklich brauche, seufze ein heimliches „dringend genug“ und werfe mich heroisch ins Gewühl. Anstatt schnurstracks auf das Glühbirnen-Regal zuzugehen, lasse ich mich ablenken: Was es nicht so alles gibt … und wer braucht die ganzen technischen Spielereien? Offenbar viele, sonst wäre es hier ja nicht so voll. Ich schaue mir der Ordnung halber die Handy-Etuis und ‑Halter für’s Auto an. Für Blackberrys gibt’s nix – überrascht mich nicht, für Blackberrys gibt es fast nirgendwo etwas. Kein Wunder, dass ich immer mal gefragt werde, wann ich mir denn endlich ein „richtiges“ Handy zulege. Ich lasse mich weiterschieben, vorbei an einer Auswahl von Telefongeräten (werden wohl irgendwann aussterben), Adaptern für so ziemlich alles (außer für Blackberrys, versteht sich), kabellosen Türklingeln mit den tollsten Geräuschen (nein, ich möchte nicht, dass sich meine Besucher mit einem Froschquaken ankündigen), Heizkörperreglern mit Fernbedienung, damit man nicht mehr von der Couch aufstehen muss, wenn einem vom vielen Sitzen zu kalt geworden ist, Überwachungskameras (So klein sind die mittlerweile? Wer weiß, wie oft ich schon „überwacht“ wurde, ohne es zu merken.), fröhlich-bunten Schrumpfschläuchen … Irgendwo setzt das ohrenbetäubende Piepsen einer Alarmvorrichtung ein. Kann das bitte mal jemand abstellen? Kann niemand, zumindest nicht in den nächsten zwei Minuten. Ok, und eigentlich will ich ja auch nur eine Glühbirne, also weiter. Im Vorbeigehen schnappe ich mir aus zweiter Reihe noch einen 3er-Steckdosenadapter (dachte, die seien in Deutschland gar nicht mehr zugelassen) und dann ab nach links hinten – oh je: vier Regale voller Glühbirnen. Das ist ja wie bei den Joghurts im REWE. Von hinten trifft mich ein Rucksack, von der Seite ein Ellbogen. Ich trete beiseite und der Rucksackträger straft mich mit einem bösen Blick. Er mich! Ich lächle gequält, sage aber nichts und verhindere so einen Streit. Ich will nur eine Glühbirne. Um das Sortiment in Gänze zu begutachten, muss ich zwischendurch immer wieder in die Hocke gehen und bekomme in dieser Position irgendein Knie an die Schulter gedrückt, das, als ich Gegendruck erzeuge, schweigend in der Menge verschwindet. Eine junge Frau murmelt „Sorry“ und schiebt mich beiseite – will wohl auch Leuchtmittel und hat es offenbar eilig. Unterdessen ertönt wieder ein ohrenbetäubendes Piepsen. Ich rutsche auf Knien nach links, um der Frau einen flinken Glühbirnenzugriff zu ermöglichen, und sie dadurch schnell wieder von meiner Seite zu wissen. Auf einmal blicke ich in das Gesicht eines kleinen Mädchens, das trotzig die Lippen zusammenkneift. Ihre Mutter redet auf sie ein: „Lenchen, mach die Hand auf. Ich muss doch dem netten Mann hier zeigen, was für eine Batterie wir brauchen, sonst kann er uns nicht helfen“. Der Verkäufer in optimistischem Blau zwingt sich zu einem geduldigen Lächeln, aber seine Finger zappeln ziemlich nervös. „Marlenchen, sei lieb, mach die Hand auf.“ Marlenchen will nicht. „Marlenchen, gleich gehen wir eine Waffel essen, ja?“ Keine Reaktion. „Marlene, jetzt ist aber Schluss! Gib der Mama die Batterie. Los, mach die Hand auf!“ Mama kniet jetzt auch und redet immer vehementer auf die Kleene ein, die kräftig den Kopf schüttelt, so dass die Löckchen lustig wippen. Mama hat genug. Mit sanfter Gewalt öffnet sie die kleine Faust des Mädchens. Marlene setzt zum Greinen an, beruhigt sich aber schnell wieder. Offenbar spürt sie, dass das jetzt keinen Sinn hätte. Aus der kleinen verschwitzten Kinderhand kommt eine winzige Knopfzelle zum Vorschein. Der Verkäufer, sichtbar erleichtert, dass er jetzt endlich helfen darf, meint mit einem prüfenden Blick: „Nee, tut mir leid, da müssen Sie zu Ihrem Autohersteller …“ Mama bedankt sich leicht frustriert und zieht mit Lenchen ab. Zurück zu meiner Glühbirne. Nach etwa fünf Minuten finde ich, was ich suche – natürlich nicht ganz unten, sondern ganz oben an der Wand. Hoppla, 12,95 Euro soll das Wunderwerk der Energiespartechnik kosten. Wie lange wird es wohl dauern, bis ich die 12,50 Mehrkosten gegenüber einer guten alten Glühfadenlampe durch den geringeren Energieverbrauch eingespart habe? Könnte ich ausrechnen, will ich aber nicht. Habe sowieso keine Wahl. Jetzt nichts wie weg zur Kasse. Auf halbem Weg dorthin fällt mir auf, dass ich eine Birne mit dem falschen Gewinde erwischt habe – also zurück, nochmal suchen, finden und wieder zur Kasse, wo mich erwartungsgemäß eine Schlange erwartet. Erneut stelle ich mir die Frage, wie dringend ich die Birne brauche. Aber jetzt aufgeben? No way. Nach gefühlten zehn Minuten setzt mal wieder ein ohrenbetäubendes Piepsen ein. Der Mann hinter mir meint, der Piepton sei in allen Conrad-Filialen gleich. Ihm ist langweilig, mir auch. Wir kommen also ins Gespräch über lautstarke Alarmsysteme und ihre Notwendigkeit – ohne Ergebnis, aber so lässt sich die Wartezeit verbringen. Als sich das Gespräch zu erschöpfen droht, fällt ihm auf dem Nebenband der Einkauf eines Mannes auf: „Oh, da scheint jemand Modellflugzeuge zu bauen“. Ich antworte, dass sich mir der Reiz des Modellflugzeugesteigenlassens bislang noch nicht erschlossen habe. Er klärt mich auf, dass ich das wohl sowieso nicht könnte – als Frau. „Ach ja? Warum denn das?“ Das läge daran, dass man dazu dreidimensional denken müsse, und damit täten sich Frauen naturgemäß schwer (Stichwort Einparken). Ich muss grinsen und entgegne, ihn ein bisschen auf den Arm nehmend, dass das bestimmt daran läge, dass sich die Frauen in der Steinzeit nur in der Höhle aufgehalten hätten und ansonsten für das Beerensammeln zuständig gewesen seien, so dass sich bei ihnen diese Fähigkeit wohl nicht so gut entwickelt hätte, wie bei den Männern, die ja auf der Jagd bewegliche Ziele treffen mussten. Das erscheint ihm einleuchtend, aber er berichtet auch noch sehr überzeugt von irgendwelchen Studien, nach denen die Gehirnhälften von Frauen miteinander verknüpft seien und die von Männern nicht. Dabei versucht er die Kurve zu kriegen und verweist wohlwollend darauf, dass Frauen deshalb die meisten Dinge viel besser könnten als Männer. „Aber Modellflugzeugfliegenlassen und Einparken gehören nicht dazu“, entgegne ich mit einem ironischen Lächeln. Er versteht die Ironie nicht, sondern nickt zustimmend. Innerlich schütte ich mich vor Lachen aus. Nach ein paar Umwegen über einige sehr abstruse Theorien zum Thema „natürliche“ Unterschiede zwischen Männer- und Frauen-Talenten, will er mir noch weismachen, dass sich Frauen viel besser unnütze Dinge merken könnten als Männer. Ich frage ihn, ob er das Buch „Nichts kann ich mir am besten merken“ von Tim Frühling kenne. Er kennt es nicht, will es aber jetzt unbedingt lesen. Der wird sich wundern. Mittlerweile sind wir bis zur Kasse vorgerückt. Er wirkt ein bisschen enttäuscht. Offenbar redet er gerne mit zweidimensionalen Menschen, deren Kopf voll von unnützem Wissen ist. Ich wünsche ihm noch ein „schönes dreidimensionales Wochenende“, und er gibt mir ein „Viel Spaß beim Elektrogeräte einstöpseln“ auf den Weg – er hatte wohl auch meinen Einkauf gescreent und dabei sicher viel nützliches Wissen erworben. Belustigt lenke ich meine Schritte gen Konstabler Markt. Demnächst bestelle ich meine Glühbirnen im Internet.