SONNTAG
Sonntagnachmittags in den Urlaub zu fliegen ist sehr entspannt. Gemütliches Kofferpacken, gute Taxiverfügbarkeit, freie Straßen, keine Schlangen an Check-in-Schaltern und Sicherheitskontrollen. Habe heute zum ersten Mal in einem Ganzkörperscan gestanden. Fühlte sich an wie eine Hoteldusche ohne Wasser. Darüber, was der attraktive Mittfünfziger hinter dem dazugehörigen Bildschirm zu sehen bekam, habe ich versucht, mir keine Gedanken zu machen. Ich war viel zu früh am Gate und habe die Zeit genutzt, mir noch den Spiegel herunterzuladen, was etwa 45 Minuten gedauert hat. ALiebe Lufthansa: An Eurer Netzgeschwindigkeit am Frankfurter Flughafen besteht Optimierungsbedarf!
An den Piloten übrigens auch. Der unsrige brauchte drei Landeanflüge, um den Kranich in Split auf die Erde zu bringen. Den ersten brach er auf halben Weg nach unten mit dem Kommentar ab: „Na, das war jetzt nicht so gut. Das versuchen wir gleich noch mal.“ Auch beim zweiten Mal zog er kurz vor der Vollendung noch mal durch, um das später mit einer „vollen Landebahn“ zu begründen und uns zu versichern, dass das aber alles kein Problem sei, weil wir ausreichend Sprit hätten. Ob ich ihm das mit der Landebahn glauben darf? Vielleicht war es ja einfach auch beim zweiten Mal „nicht so gut“. Jedenfalls wurden ein paar Damen und Herren um mich herum ein bisschen nervös. Während die Mädels das offen kundtaten, wurden die Jungs immer lauter. Sie ließen mit betont fester Stimme pseudo-coole Sprüche und alberne Vermutungen über die Ursachen für all das ab. So kompensiert halt jeder seine Verunsicherung anders. Beim dritten Mal flog unser Held der Lüfte den Flugplatz von der anderen Seite an – mit Erfolg, was dann auch gleich ein paar Landungsklatscher auf den Plan rief, die ich eigentlich schon ausgestorben wähnte. Der Herr Pilot entließ uns mit den üblichen guten Wünschen und der Hoffnung, dass uns alle seine Landungen Spaß gemacht haben – Humor hatte er jedenfalls.
Ein junger Mann mit einem Studiosus-Schild in der Hand wies uns den Weg zum Bus, der aber noch zehn Minuten warten musste, weil ihm laut Liste ein Passagier fehlte. Ob der wohl die Flucht ergriffen hatte, weil ihm die viele Landerei auf die Nerven gegangen ist? Jedenfalls ist er (oder sie) bis heute nicht aufgetaucht.
Es folgten etwa 30 Minuten Fahrt zum Radisson Hotel**** – ungefähr 4km außerhalb von Split an der Steilküste: modern, mit viel Glas und sehr durchgestylt. Besonders cool waren das bodentiefe Glasgeländer am Balkon (nichts für Menschen mit Höhenangst, zu denen ich aber nicht zähle) und die Tatsache, dass es viele Steckdosen in den Zimmern gab, so dass meine Technik nächtens immer gleichzeitig Futter bekommen konnte. Natürlich bin ich wieder mit allerhand Endgeräten unterwegs; und „umstöpseln“ zu müssen, hätte den Spaß eindeutig gemindert. Den Willkommensdrink habe ich verpasst, weil ich glaubte, erstmal alles in Gang bringen und meine Mails checken zu müssen. Warum ich das nicht einfach über das Händi gemacht habe? Kein Netz! Nachdem es mir vor ein paar Wochen in Basel genauso gegangen war, nahm ich es diesmal gelassener. Wahrscheinlich hatten die Vodafone-Menschen in meinem Account wieder alles außer Inlandsgesprächen abgeschaltet. Das klärende Gespräch mit der Hotline verschob ich auf später, um der üblicherweise 20-minütigen Warteschleife zu entgehen.
Die Abfahrt zum gemeinsamen Dinner mit der Gruppe habe ich dann gerade noch geschafft. Es ging in die Altstadt in ein Restaurant, wo man uns plattenweise Fleisch von allerlei Nutztieren verabreichte, unter anderem etwas, das man „Lamm unter der Haube“ nannte und bei dem Fleisch und Gemüse 2-3 Stunden zusammen in einem Ofen geschmort werden. Ich habe den Verdacht, dass unser Lamm im Lebendzustand eher Steckdosennase und Ringelschwänzchen hatte, aber das will ich jetzt nicht fest behaupten. Es wäre auch egal, denn lecker war’s. Der Wein war auch kalt und trinkbar, die Tischgesellschaft unterhaltsam.
Ach ja, die Gruppe: Altersstruktur zwischen gefühlten Ende 20 und Ende 70 (17 Frauen, 7 Männer). Natürlich gibt es auch hier die Vertreter der Gattungen Plaudertäschchen, Reiseberichterstatter, einsamer Wolf, Naseweis etc., aber alles im Rahmen. Alle sind sympathisch, niemand nervt. Das ist gut. Ob irgendjemand darunter ist, der/die ausreichend viele Gemeinsamkeiten mir hat, um mehr als Small Talk auszutauschen, weiß ich noch nicht. Bei meinem Reiseveranstalter Studiosus steht die Kategorie „me & more“ ja für Trips für Alleinreisende. Klar, dass dazu auch mehr oder weniger latent Partnersuchende zählen. So habe ich dann auch gleich am ersten Abend ein Gespräch mitgehört, bei dem es irgendwie um die Schwierigkeit ging, einen Partner zu finden und bei dem sich über die Vor- und Nachteile von Partnervermittlungen ausgetauscht wurde. Weil ich da nicht mitreden konnte, und ja auch gar keinen Partner suche, hätte ich lieber mit dem Senior an der anderen Ecke des Tisches über den Rücktritt der Deutsche-Bank-Spitze geredet, aber das scheiterte an der Lautstärke um uns herum.
Zurück in meinem Zimmer habe ich dann mit Vodafone telefoniert – die Verschiebung auf den sehr späten Abend war eine gute Idee. Und so wurde ich, nachdem ich der Bandansage glaubhaft versichert hatte, dass ich jetzt keine Informationen über die neuen tollen Angebote wünschte, schnell zu einem echten Menschen durchgestellt, der mein Problem lösen konnte. Ich war wieder freigeschaltet und mein Schwarzbeerchen tat, was es sollte.
MONTAG
Am frühen Morgen bin erst mal zur Meerbesichtigung gestartet, habe ein halbes Stündchen auf einem Stein herumgesessen und Wasser, Fische, Muscheln und Seeigel geguckt. Als ich gehen wollte sprach mich eine alte Dame an, die Miesmuscheln für ihr abendliches Risotto sammelte. Sie erzählte, dass sie vor 60 (!) Jahren Deutschlehrerin war, und verriet mir nicht ohne Stolz ihr Alter (87). Wir plauderten eine halbe Stunde über sehenswerte Inseln, den Krieg und das Älterwerden – ein Thema, dass sie sehr zu beschäftigen schien. Dann fragte sie mich sehr direkt, ob ich denn ganz alleine sei. Himmel, hat sich mein mittlerweile 1,5jähriges Single-Dasein schon in meinen Gesichtszügen niedergelegt? Na, jedenfalls erzählte sie mir, dass sie ihren Mann vor vielen Jahren verlassen habe, weil sie meinte, es sei besser, ab und zu ein bisschen einsam zu sein als zu zweit immer unglücklich. Recht hat sie.
Nach dem Frühstück folgte ein geführter Ausflug in die Altstadt bei blauem Himmel und fast 30°: Besichtigung des Diokletianspalasts, der solange „die Stadt“ war, bis er aus allen Nähten platzte. Er ist komplett bewohnt, und man kann auch Wohnungen kaufen (3.000 Euro/qm, für Frankfurter Verhältnisse also recht günstig). Die Kathedrale ist eher ein Kirchlein, aber hübsch anzusehen. Jeden Tag um 12 Uhr tritt auf dem Platz davor der Kaiser Diokletian (ein gutaussehender junger Mann in einem Faschingskostüm „Modell Römer“ nebst Gefolge) für die Touris auf, lässt ein paar Mal „Ave“ rufen und verschwindet dann wieder. Einen Geldautomaten habe ich auch gefunden. Die Preise hier sind sehr niedrig. Hoffentlich werde ich meine 400 Euro in Kuna überhaupt los.
Nach der Führung sind die meisten in kleineren Grüppchen etwas essen gegangen. Ich habe den einsamen Wolf gegeben, bin durch die Gassen gestreift, habe ein Kleidchen für mich entdeckt, später im Schatten Caprese gegessen (in der kroatischen Variante mit Knoblauch L) und ein bisschen ge-facebooked. In vielen Cafés gibt es Free WIFI. Nach einem großen Eis an der Hafenmauer wurden wir wieder ins Hotel verbracht, wo mittlerweile die kroatische Nationalmannschaft Einzug gehalten hatte. Ihr Bus steht vor der Tür und es laufen drei oder vier Polizisten drumherum. Mehr Sicherheitsschutz braucht es hier offenbar nicht.
Nach der Tippelei bei ungewohnt hohen Temperaturen wollte ich mich ein halbes Stündchen auf ein Nickerchen ins klimaanlagegekühlte Zimmer zurückziehen und dann ans Meer … und bin nach drei Stunden wieder aufgewacht – gerade rechtzeitig für das Abendessen: Buffet, lecker und vielseitig. Den restlichen Abend habe ich mit einem Teil der Gruppe bei einem Gin Tonic verbracht. Dann zog ein Gewitter auf: tolle Vorstellung mit einer enormen Lightshow – fast so gut wie Theater. Außer mir haben das allerdings nur drei der Buben so gesehen. Die anderen verzogen sich auf ihre Zimmer. Uns vier hat erst der Sturzregen vertrieben, der eine halbe Stunden später einsetzte und jetzt allmählich in Landregen übergeht.
DIENSTAG
Sonnenschein! Abfahrt um neun Uhr nach einem formidablen Frühstück. Ich war zu früh dran und kam vor dem Hoteleingang mit einem Fan der Nationalelf ins Gespräch, der auf ein Autogramm lauerte und gehört hatte, dass die Mannschaft um 10 Uhr zum Training führe. Er lauschte mit leuchtenden Augen, als ich erzählte, dass ich schon ein paar von ihnen beim Frühstück und gestern in der Bar gesehen hatte. Dann berichtete er, dass die Spieler hier ganz anders seien als ihre Schnösel-Pendants in Deutschland, wo er 30 Jahre seines Lebens verbracht habe: sehr leutselig, immer zu einem Schwätzchen, Fotos und Autogrammen bereit. Er meinte, sie würden einige ihrer Fans schon kennen und steckten älteren Leuten oder Kriegsversehrten auch mal ein paar Scheine zu – klang irgendwie sympathisch. Dann hat er noch ein bisschen über die steigenden Preise geschimpft und erzählt, dass er es gar nicht verstünde, wie man für eine Nacht in einem Hotel 100 Euro bezahlen könne. Er ginge ja immer nur in kleine Pensionen für höchstens 30 Euro. Dass das Radisson fast 200 kostet, habe ich ihm nicht erzählt. Er meinte, bei den steigenden Preisen in Split würden die Touristen sicher bald wegbleiben. Wer sei schon bereit, 2 Euro (!) für einen Cappuccino zu zahlen. Offenbar hatte er seine Zeit in Deutschland nicht in Frankfurt verbracht oder es ist schon sehr lange her … Als der Rest unserer Gruppe auftauchte, verzog er sich mit seinem T-Shirt, das er zwecks Verautogrammung mitgebracht hatte.
Heute standen Stadtarchitektur und Natur auf dem Programm. In Trogir, UNESCO-Welterbe, trafen wir Reiseführerin Susanna wieder, die uns schon den Diokletian-Palast nähergebracht hatte. Zu sehen gab es hier eine schöne alte Stadt mit engen Gässchen und eine Kirche, die sich vor allem mal mit der Sünde beschäftigte: rechts und links des Portals Adam und Eva, zu ihren Füßen jeweils ein Löwe und in der Körpermitte ein Feigenblatt, das zumindest mal Evas Blöße nur sehr unzureichend bedeckte. Adams Mittelstück war dagegen recht ordentlich verhüllt. Direkt neben Eva gibt es ein Relief, das zwei Drachen zeigt, die eine sehr nackte Frau verschlingen. Sie hängt kopfüber und jeder Drache hat ein Bein im Maul – sehr martialisch. Es soll die Vernichtung der Sünde symbolisieren. Die kleine Emanze in mir musste sich mal kurz räuspern. In der Kirche selbst gab es eine Menge Engelsköpfe, schöne Altäre und alles, was zu einer ordentlichen Kirche gehört, einschließlich einem kunstvoll geschnitzten Chorgestühl. In der angrenzenden Taufkapelle schauten viele kleine nackte Engelbuben, auf uns runter, was einen der Mitreisenden zu der Bemerkung „ein Paradies für Pädophile“ veranlasste. Interessant, was für Assoziationen manche Leute haben.
Gegenüber der Kirche stand eine große Loggia, auf der früher zu Gericht gesessen wurde. Frauen waren als Zeugen nicht zugelassen, „Weil die ohnehin nie die Wahrheit sagen“ … Die anschließende freie Zeit nutzte ich, um zusammen mit einem kleinem Teil der Gruppe den Glockenturm zu besteigen, belohnt von einem wunderbaren Ausblick – was sonst. Und weil ich gerade so schön dabei war, hatte ich auch nichts dagegen, mit einem Gleichgesinnten eine Festung am Ende des Hafens zu „erobern“. Die Turmkletterer sind in dieser Gruppe eindeutig in der Minderzahl.
Nach einem kleinen Snack ging es weiter in den Naturpark, in dem ein Teil der Winnetou-Filme gedreht worden war. Viel Grün, viele Wasserfälle mit vielen Fischen und kleinen dunkelblauen Schmetterlingen. Natur in Hülle und Fülle. Am Fuße des größten Wasserfalls haben wir uns kurz ins Wasser geworfen. Die Strömung war wie die Gegenstromanlagen in Luxushotels, nur „in echt“ – schön war das. Mittlerweile zog ein Gewitter auf, was dem Rückweg auf einem kleinen Holzsteg durch Unmengen von Grün und vorbei an einer Reihe von kleineren Seen und Bächen etwas Mystisches gab. Die vielen kleinen Wasserfälle mit ihren Strudeln hatten etwas Hypnotisches. Hier wäre ich gerne länger geblieben, aber der Bus wartete.
So gegen halb sieben waren wir wieder im Hotel. Am Abend war kein Abendessen gebucht, und ich hatte verpasst, mich zu verabreden, so dass ich mich irgendwann allein auf die Suche nach etwas Essbarem machte. Fündig geworden bin ich nach einem Spaziergang am Meer in einem kleinen schicken Restaurant, auf dessen Terrasse ich einen Tisch mit Blick aufs Wasser und die untergehenden Sonne entdeckte, der nur für eine Person gedeckt war – sollte wohl so sein. Die Herren Kellner taten alles, um mir einen netten Abend zu bereiten, brachten mir ein Glas wunderbaren Wein von der Insel Korcula, der eigentlich nur in Flaschen ausgeschenkt wird, und kümmerten sich herzlich um die einzige Alleinreisende im Lokal. Was es gab? Eiweißreicher Luxus: Austern und Riesengarnelen (die besten Austern seit Schottland, groß und festfleischig). So gegen zehn machte ich mich auf den Weg zurück und beendete den Abend mit einem Drink und dem Spiegel (der Zeitschrift, versteht sich) auf dem Balkon und mit Kofferpacken.
MITTWOCH
Pünktlich um Acht ging es los zur Inseltour (überhaupt haben wir während der ganze Reise nie auf irgendwelche Nachzügler warten müssen). Zunächst mit der Fähre nach Hvar, vorbei an einer Reihe von Inseln wie Brac, Ciovo und Solta. Ich habe keine Ahnung, welche davon welche war. Schön waren sie alle – am schönsten die ganz kleinen, die wahrscheinlich gar keinen Namen haben, und bei mir Gedanken an ein anderes Leben ausgelöst haben, eines ohne Uhr, ohne Termine und ohne Verpflichtungen … aber solche Gedanken habe wir ja alle hin und wieder – und kehren dann doch dahin zurück, wo wir herkommen und sind damit wahrscheinlich ganz gut beraten. Erste Station auf Hvar war eine kleine Kirche mit einem Friedhof auf einem Hügel zum „Überblick verschaffen“. Der Friedhof war offen, und an den Grabsteinen hingen zum Teil Fotos der Verstorbenen. Einigen sah man recht deutlich an, wie ihr Leben so verlaufen sein muss.
Weiter ging es ins Örtchen Starigrad, wo wir mit einer kleinen Gruppe einen Künstler in seinem Atelier besuchten, der aus Teilen toter Tiere neue kleine Tiere baute – sehr spannend, skurril und ein bisschen morbide. Mir hat’s gefallen. Im Gespräch erwies er sich als weitgereister Freidenker, der als Selbstversorger ins mietfreie Elternhaus zurückgekehrt war, nie mehr für irgendwen arbeiten möchte und sehr zufrieden mit sich und seinem bescheidenen, aber freien Leben wirkte – ein überzeugter Träumer, dem es gelungen ist, sein Lebenskonzept umzusetzen und die dazu passende Partnerin zu finden (ebenfalls Künstlerin). Seine kleine Tochter würde bald in Frankreich zur Schule gehen und sei genauso drauf wie er, meinte er. Es steht zu hoffen, dass sie nicht irgendwann in den Staatsdienst geht oder irgendetwas anderes Biederes wird. Ich denke, das würde ihn schwer treffen.
Als nächstes machten wir bei einem Winzer/Schnapsbrenner/Imker/Lavendelbauern halt, der aus dem teuren Zagreb mit seinen hohen Mieten irgendwie „gezwungenermaßen“ auf den Hof seiner Schwiegereltern gekommen war – ein Quereinsteiger also. Die Schnäpse und Weine waren recht schrecklich. Die Qualität des Weins begründete er damit, dass sie mit ihm „nichts machen“ würden, weil das zu viel Zeit koste. Er sei also so, wie ihn der liebe Gott in den Fässern reifen lässt. Vielleicht hilft da bei Gelegenheit mal ein kurzes Gebet. Für den gruseligen Schnaps hatte er keine Erklärung. Aber den Honig mochte ich, und beim Lavendeltrocknen haben sie (oder auch der liebe Gott) auch nichts falsch gemacht. Wenn alle Reisegruppen so fleißig einkaufen wie wir, kann er sich bald eine schöne große Wohnung in Zagreb kaufen, aber vielleicht will er das dann gar nicht mehr. Das 100-Seelen-Dörfchen ist nämlich wirklich beschaulich und alles wirkte sehr entspannt – mal abgesehen von der Nachbarin, die sich von uns gestört fühlte.
Auf einer Burg oberhalb von Hvar-Stadt gab es dann neben der Aussicht ein altes Gefängnis zu bewundern – schön düster. Ich musste unwillkürlich an den Grafen von Monte Christo denken. Nach dem Abstieg in den Ort brauchte ich erstmal eine Pause, die ich mit einem kleinen Cocktail und einem spannenden Gespräch über das Leben verbrachte – also doch nicht nur Small Talk auf dieser Reise. Wie gut. Nach einem kurzen Rundgang durch die engen Gässchen mit ihren Steinhäuschen, Geranien und der Wäsche vor den Fenstern fiel uns auf, dass der Platz vor der Kirche die perfekte Kulisse für einen Western war – „Do not forsake me, oh my Darling“ und so. Später erfuhr ich, dass der Ort tatsächlich oft als Filmkulisse genutzt wird. Dann sammelten wir uns zur Überfahrt mit einem Katamaran nach Korcula, der Endstation für heute. Der Katamaran war doof. Wir wurden in den Schiffsbauch hinter abgedunkelte Fenster gesperrt, und die Klimaanlage war auf gefühlte 16°C eingestellt. Aber zumindest gab mir das Gelegenheit, mal ein bisschen Text zu lernen. Gegen Viertel vor neun landeten wir im Hotel – mit ausgeschriebenen vier, aber gefühlten 2,5 Sternen: keine Balkone, mittelgutes Essen und kein intaktes WLAN, aber egal. Vielleicht bin ich nur ein bisschen verwöhnt. Alles war ordentlich geputzt und mein Zimmer war riesig. Was sollte ich bloß mit den drei Betten anfangen? Habe das Doppelbett dann als Kofferablage genutzt.
Der Koffer stand auch schon auf dem Zimmer (sehr bequem) und das Buffet war noch ausreichend gefüllt, um uns hungriger Meute zu geben, was wir brauchten. Danach habe ich mal wieder den Anschluss zum Ausgehen verpasst, traf aber an der Bar auf unseren Senior, der allein vor einem Wodka-Lemon saß. Das passte. Nach einer knappen Stunde mit Gesprächen über das Älterwerden, die Finanzmärkte, sehenswerte Reiseziele und ein paar Eindrücken aus seinem Leben sagten wir einander Gute Nacht. Zum Liegen gekommen, merkte ich erst, wie k.o. ich war. Gut, dass ich die anderen verpasst habe, denn dadurch …
DONNERSTAG
… bin ich jetzt auch schon sehr früh wach und habe die letzten zwei Tage protokolliert. Heute wird’s gemütlich: Kleiner Stadtrundgang und ein freier Nachmittag. Ob ich den mit einer Fahrradtour oder ein paar Stunden Strand fülle, entscheide ich später. Jetzt gibt es erstmal Frühstück…
Das war heute eine richtig gute Stadtführung. Der Herr Ivan war nicht nur ein netter Anblick, sondern wusste auch viel und konnte spannende Geschichten erzählen, zum Beispiel, dass die Straßen von Korcula Stadt so angelegt sind, dass sie gegen die Herbst-/Winterstürme schützen und im Sommer für Belüftung sorgen; dass die Korculaner sehr fortschrittliche und vernünftige Gesetze hatten oder dass Marco Polo aller Wahrscheinlichkeit nach nicht, wie gerne behauptet, hier gewohnt, aber nachweislich zwei Tage im hiesigen Knast gesessen hat. Er berichtete auch über die Theorie, dass der große Forschungsreisende möglicherweise niemals selbst in China war.
Nach der obligatorischen Kirchturmbesteigung mit der Bubentruppe, zu der ich mich von da an immer öfter gesellt habe (oder sie sich zu mir, wer weiß das schon immer so genau), sind wir mit einem kleinen Grüppchen und unserer phantastischen Reiseführerin Patricia mit dem Boot auf eine Insel zum Schwimmen gefahren. Schon die Fahrt dorthin war toll – Wind in den Haaren. Wer mich kennt, weiß, wie gerne ich im, am und auf dem Wasser bin. Patricia hatte einen kleinen, wenig bevölkerten Strand ausgesucht, und mir war nach Schwimmen. Weil ich nicht so recht wusste, wie es dort so mit den Strömungen stand, traf es sich bestens, dass sich auch einer der Mitreisenden im Wasser sehr wohl fühlte. Ich glaube, wir sind fast eine Stunde da draußen herumgeschwommen, haben uns treiben lassen, zwischendurch mal angetestet, wie tief es wohl sein könnte, und ausprobiert, ob wir noch „Rolle rückwärts“ können.
Ach ja, die Patricia … eine ganz außergewöhnliche Frau mit viel im Kopf, megaviel Charme und einer herrlich lockeren Art. Dass sie zudem ein echter Hingucker ist, sei für die männlichen Leser auch noch erwähnt. Ein tolles Weib also, von der wir eine Menge erfahren und mit der wir viel gelacht, aber auch ganz ernsthafte Gespräche geführt haben.
Zurück auf Korcula sind wir vor dem Dinner nochmal schnell gefühlte 150 Treppenstufen zu einer kleinen Kapelle aufgestiegen, wo es zufällig einen etwas beleibten Herrn zu beobachten gab, der sein Training absolvierte: eine Runde um die Kapelle, 20 Mal Stein stemmen (etwa 10 kg schwer, hab’s später getestet), eine Runde um die Kapelle, 20 Mal Stein stemmen … großer Spaß.
Am Abend sind wir dann mal „auf die Piste“. Diesmal habe ich den Anschluss nicht verpasst. Wir hatten vom Kirchturm aus am Vormittag eine Bar auf einem kleinen runden Wachturm entdeckt, der Teil der Stadtmauer war. Da trieb es uns hin. Über etwas, das man getrost als Hühnerleiter bezeichnen konnte, gelangten wir hoch. Die Getränke wurden mit Hilfe eines Einkaufskorbs über einen Seilzug außen am Turm nach oben transportiert. Na, so zwei drei Körbchen gingen wohl auch an unseren Tisch. Als letzte Gäste verließen wir den Ort und kamen sogar heil die Leiter runter. Aber wir hatten noch nicht genug und landeten für ein Stündchen in einer Kneipe am Rande des Städtchens. Der harte Kern wechselte dann noch in eine weitere Bar, wo es eine (zum Leidwesen der Buben bereits verwaiste) Stange zum Tanzen gab. Wie heißt dieses Ding denn eigentlich im Fachjargon? Einer der Jungs hat sich mal kurz daran versucht – nettes Bild, das wir aber leider nicht festgehalten haben. Der letzte Tequila hat dann auch uns geschafft. Aber wir haben das Hotel gefunden, und ich bin sofort in den Tiefschlaf gefallen. Am nächsten Morgen sollte es weitergehen zum nächsten und letzten Ziel der Reise: Dubrovnik.
FREITAG
Den leichten Brummschädel am Morgen haben wir wahlweise mit Jogging, Sleeping, und in meinem Fall mit Swimming bekämpft – erstaunlicherweise erfolgreich. Das war auch wichtig, denn eine unserer ersten Stationen war eine Weinprobe. Der Weißwein war mäßig und wurde uns als passend zu Spargel verkauft. Ja, der hatte so wenig Fülle, dass er den Spargelgeschmack garantiert nicht überdecken würde. Der rote war wohl gut. Für meinen Geschmack hatte er zu viel Tannin, aber ich bin da beileibe kein Maßstab. Irgendwer hat mal gesagt, für ihn müsse Weißwein teuer und Rotwein billig sein. Dem schließe ich mich an. Die angebotenen Liköre waren dagegen richtig lecker – so lecker, dass ich mich aus Entscheidungsunfähigkeit gleich mit zwei Fläschchen versorgt habe. Die müssen jetzt nur noch heil nach Hause.
In Ston wartete die nächste sportliche Herausforderung: Es gab die Option, die Stadtmauer zu besteigen, die sich den Hausberg hochzog – eine Idee, für deren Umsetzung sich trotz Mittagshitze eine kleine Gruppe zusammenfand. Der Rest verzog sich zu Meeresfrüchten in den Schatten. Es gab eine kurze Strecke, eine lange Strecke und eine sehr lange Strecke – viele, sehr viele und megaviele Treppen. Ein paar begnügten sich mit der kurzen Strecke, einige wenige wagten sich weiter. Am Ende stand endgültig fest, wer der Ultrasportler der Gruppe war: Er legte einen Teil der megavielen Treppen aus schierem Bewegungsdrang gleich zwei Mal zurück. Ich fand einen Gleichgesinnten für irgendetwas zwischen „lang“ und „sehr lang“. Weil das alles doch mehr Zeit beanspruchte als gedacht, reichte es nicht mehr zum Lunch, was schade war, weil es in der Nähe einige Austernfarmen gibt. Aber so reichten uns Obst und Wasser aus dem Supermarkt – viel Wasser …
In Dubrovnik blieb im sehr schicken Valamar President *****, wo ich ein recht luxuriöses Zimmer im 8. Stock bekam, vor dem Dinner noch Zeit, das Meer zu testen. Nach viel Fisch und Obst zog es uns später noch in die unweite Cave Bar, bzw. auf deren Terrasse zu einem Cocktail. Wer hätte gedacht, dass der nach gestrigen Abend schon wieder schmecken würde. Tat er aber.
SAMSTAG
Nach einem Frühbad im Meer gehörte der Freitagvormittag wieder der Gruppe und einer Stadtführung durch Dubrovnik, das man vom Hotel aus in 20 Minuten mit dem Stadtbus erreicht. Stadtbus heißt zu viele Menschen auf zu engem Raum, aber da mussten wir durch.
Am Tor zur Altstadt erwartete uns eine Stadtführerin, die – sagen wir es mal wertfrei – sehr routiniert wirkte. Ja, sie wusste viel, aber besonderen Spaß schien ihr der Job nicht zu machen. Dubrovnik war nach dem Krieg ziemlich zerstört, aber alles wurde wieder aufgebaut. Es gibt Unmengen von Touristen (auch wegen der bis zu 7 (!) Kreuzfahrtschiffe, die hier täglich anlegen), aber in der Mittagshitze hatten die sich irgendwohin verzogen, so dass wir nach der Führung in Eigenregie die Stadtmauer umrundeten. Das dauert eine gute Stunde, ist einfach nur toll und unbedingt zu empfehlen. Es gab Ausblicke, die einen regelrecht verstummen ließen. Wahrscheinlich werde ich mich beim Bildersortieren fragen, was mich sonst so vernunftgesteuertes Wesen dazu getrieben hat, etwa 20 Bilder von Steinen, Mauern, blaugrünem Meer und Dächern zu machen, aber egal. Die Buben haben auch meinen 7. und 8. Panorama-Photo-Stop mit einem Lächeln und sehr geduldig hingenommen. Danke schön!
Danach waren erstmal Päuschen und Flüssigkeitszufuhr angesagt, gefolgt von einer Bootfahrt auf die Insel Lokrum, einem grünen Miniparadies, das neben einem Pfau und einem frischen Brautpaar (einmal mehr siegte hier die Hoffnung über das bessere Wissen) einen alten Turm zu bieten hatte, der natürlich bestiegen werden wollte. Wir schafften es mit einer Punktlandung zum geplanten Boot, um früh genug für ein kurzes Meerbad im Hotel anzukommen.
Heute war der letzte Abend. Noch vor dem Essen verabschiedete uns Patricia mit Likör und kandierten Früchten am Meer bei untergehender Sonne. Mir fiel „ganz zufällig“ die Aufgabe zu, ihr mit ein paar warmen Worten unser kleines Dankeschön für die Betreuung zu überreichen. Hab‘ ich aber sehr gerne gemacht. Nach dem Abendessen ging es dann mit den Jungs in ein benachbartes Vergnügungssträßchen zum Abschied feiern. Spät ist es geworden.
SONNTAG
Ein fauler Tag. Der größte Teil der Gruppe wurde um 14 Uhr 30 abgeholt, und „meine“ Buben hatten mich zum Winken verpflichtet – war ja klar. So habe ich den Sonntag kurzerhand zu einem Erholungstag erklärt, den ich nach den vielen Eindrücken auch durchaus mal nötig hatte. Es gab so viel Erlebtes, Gehörtes und Gesehenes zu sortieren und zu verarbeiten. Deshalb gibt es zum Sonntag nicht viel zu berichten: Strand, Frühstück, Strand, Winken, Strand, Blog schreiben, Abendessen mit den vier anderen „Verlängerinnen“ und ein schöner langer Abendspaziergang mit einer von ihnen. Und ja, ich gebe es zu: Ihr Buben hattet Recht – Ihr fehlt mir. 😉
MONTAG
Wolken! Nach dem Frühstück machte ich mich auf die Socken, um den Hausberg von Dubrovnik zu erklimmen, den Srd (keine Abkürzung; der heißt wirklich so). Es hätte auch eine Seilbahn gegeben, aber hey: Das kann ja jeder. Zunächst galt es mal wieder mengenweise Treppen zu überwinden, an deren Ende sich irgendwo der Einstieg befinden sollte. Den habe ich aber dummerweise nicht gefunden, und ein junger Mann schickte mich „etwa 500m“ eine ziemlich befahrene Straße entlang. Die 500m-Angabe entpuppte sich als schwere Unterschätzung. Erst nach etwa einer dreiviertel Stunde in gleißender Sonne fand sich ein Schild, das in die richtige Richtung wies. Nach etwa einer weiteren halben Stunde kam ich auf dem Kamm des Hügels an, hatte aber mein Ziel, die Bergspitze, um einen schlappen Kilometer verfehlt.
Diese Erkenntnis erforderte erstmal eine Pause mit viel Wasser. Erst dann konnte ich mich zur letzten Etappe aufraffen, vorbei an ein paar Ruinen, Abschussrampen und kaum verschütteten Schützengräben. Oben angekommen traf ich dann auf die viele Menschen, deren Wahl auf die Seilbahn gefallen war, und die erheblich erholter aussahen als ich. Die nächste Stunde verbrachte ich in einem Museum, das zeigte, wie es den Menschen und der Stadt Dubrovnik während der Belagerung 1991/92 ergangen ist: Bilder vom Krieg – zerstörte Häuser, Gefechtsfeuer, von Kummer und Angst gezeichnete Männer, Frauen und Kinder. Am Rande bemerkt sei noch, dass die Aussichtsplattform knallvoll und das Museum gähnend leer war. Aussicht ist halt beliebter als Rückschau. Auf einen Ausflug mit einem Go-Cart, die dort angeboten wurden, habe ich verzichtet. Allein ist das nur der halbe Spaß, aber ich bin sicher, dass sich unter den bereits Abgereisten ein Mitstreiter gefunden hätte. Ich wäre sofort dabei gewesen.
Für den Weg nach unten nahm ich faules Stück dann doch die Seilbahn. Für heute war ich genug gelaufen. Der Bus zurück ins Hotel war glücklicherweise leer und Neptun erwartete mich schon zu einem kurzen Bad vor dem Dinner.
DIENSTAG
Der letzte Tag in Kroatien, den ich für Blogschreiben, Shoppen und einen Museumsbesuch reserviert hatte. Nach dem mittlerweile üblichen morgendlichen Sprung in die Fluten machte ich mich wieder auf den Weg in die Altstadt und fand mich vor der kleinen Boutique mit dem wunderschönen roten Kleid wieder, die wir während des offiziellen Stadtrundgangs am Samstag passiert hatten – allein das Kleid passte nicht. Dafür aber zwei andere 😉 Um einige Kunos leichter und eine Klamottentasche schwerer spazierte ich zum Museum für Moderne Kunst, das aber wenig mehr zu bieten hatte als eine Ausstellung mit Bildern aus Japan, deren künstlerischen Wert ich nicht recht einschätzen kann, weil ich mich zu wenig auskenne. Ach, und eigentlich hatte ich dann auch genug, und machte mich auf den Weg zurück ins Hotel zu einem letzten Strandbesuch und an den Laptop zum Schreiben. Der Abend bei Sonnenuntergang auf der Hotelterrasse mit den Damen war nett, die Nacht kurz. Der Flieger sollte morgens um 7 Uhr 30 starten, so dass ich um 5 Uhr im Hotel abgeholt wurde. Irgendwie hatte ich die unchristliche Zeit bei der Buchung nicht recht bedacht, aber am Ende war auch das kein Problem. Verabschiedet wurde ich fürsorglich mit einem Gratiskaffee auf der Terrasse mit Meerblick, während ich auf den Transfer wartete. Der brachte mich in einer halben Stunde zum Flughafen – entlang der Küstenstraße, was mir einen letzten Blick auf Dubrovnik und die Insel Lokrum ermöglichte: Doviđenja Kroatien!
Mein Fazit
Die kroatische Küste ist ein toller Landstrich mit freundlichen und herzlichen Menschen (keine „Sehr-gerne-Roboter“, wie sie hier bei uns sehr verbreitet sind), vielen wunderschönen Inseln, traumhaften Farben und pittoresken Städtchen, von denen einige nur zu Recht zum UNESCO Welterbe zählen.
Ich muss öfter reisen.
Schwimmen und Türme besteigen werden jetzt wieder in den engeren Kreis meiner Hobbys aufgenommen.
Alleinreisen in der Gruppe macht Spaß, wenn man sich wie in diesem Fall auch zurückziehen kann, es viel Freiraum gibt und gute Tipps, ihn individuell zu füllen – und wenn man eine so prima Gruppe und Reiseleitung erwischt wie ich. Und Studiosus „me and more“? Gefällt mir!